piwik no script img

Bauwagenplatz ZomiaBehindert vom Amtsschimmel

Die Bauwagengruppe Zomia kämpft weiter um ein neues Domizil. Trotz Behörden-Zusagen für einen Platz im Schanzenviertel stocken die Verhandlungen - wegen Pleiten, Pech und Pannen.

Begehrte Brache: Auf der "Brammer-Fläche" könnte Zomia ab Juli residieren - wenn nichts dazwischen kommt. Bild: Henning Scholz

Bis zum 15. Januar dieses Jahres sollte ein geeigneter Platz im Bezirk Altona gefunden sein: So lautete das Versprechen im November vorigen Jahres. Da hatten Rot-Grün und Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose (parteilos) dem räumungsbedrohten Wilhelmsburger Bauwagenplatz Zomia Asyl auf einem Behelfs-Areal in Hamburg- Bahrenfeld anboten. Inzwischen entpuppt sich die Herrichtung jenes neuen, dauerhaften Domizils zu einer Behörden-Posse.

Zwar hatte die Altonaer Bezirksversammlung am 23. Februar in einem interfraktionellen Votum den Wagenburglern die so genannte Brammer-Fläche am Rande des Schanzenviertels zugesprochen. Dort hin ziehen allerdings konnte Zomia bis heute nicht – wegen Pannen in den beteiligten Behörden. „Die politische Entscheidung ist getroffen worden“, sagt ein Zomia-Sprecher, „ohne vorher Details zu prüfen.“

Den Bezirkspolitikern war offenbar nicht bekannt, dass die brachliegende Gewerbefläche längst vermietet worden ist. Nicht einmal die Eigentümerin, Hamburgs Finanzbehörde, hatte Kenntnis davon: Die Firma Leo-Consult, die im Auftrag der Stadt unbebaute Grundstücke im Bezirk Altona verwaltet, hat das Areal an ein Abschleppunternehmen namens „Aktiv-Transport“ verpachtet. Und das mit dreimonatiger Kündigungsfrist, so dass eine sofortige „Überlassung“ nicht möglich war.

Zomias Odysee

Im November 2010 besetzt eine Gruppe von rund 15 StudentInnen mehrere Areale im südlichen Hamburger Hafen, um ein Wohn- und Kulturprojekt zu verwirklichen. Es wäre der sechste Bauwagenplatz in Hamburg.

Vorübergehend geduldet wird Zomia vom CDU-Senat nach dem Scheitern der schwarz-grünen Koalition und vor den Neuwahlen schließlich am Ernst-August-Kanal im Stadtteil Wilhelmsburg: auf einer gewerblichen Brachfläche, die als Alternative für eine mögliche Autobahn-Hafenquerspange vorgehalten wird.

Absoluter Gegner Zomias ist der damalige SPD-Bezirksamtschef Markus Schreiber. Von einer angedrohten Räumung zurückgepfiffen wird er vor dem 1. Mai 2011 vom neuen SPD-Bürgermeister Olaf Scholz. Dieser setzt auf eine politische Lösung. Die scheitert, weil gerade der Bezirk Mitte keine Alternativ-Plätze anbietet.

In die Bresche springt im November 2011 der rot-grün regierte Bezirk Altona, in dem es bereits drei Bauwagenplätze gibt: Er bietet Zomia Asyl an - auch um Bambule-Proteste wie vor acht Jahren zu verhindern.

Nur halbherzig verfolgt indes die SPD Altona einen Konsens: Sie sperrt sich gegen eine Lösung auf der sogenannten Brammer-Fläche nahe der autonomen Roten Flora, stimmt jedoch einer befristeten Lösung zu, um die rot-grüne Koalition zu retten.

Für die seit 1992 brachliegende Brammer-Fläche hat sich die Abschleppfirma ein interessantes Geschäftsmodell einfallen lassen: Von dem als „Privatgrundstück“ deklarierten Gelände, das gern als „wilder Parkplatz“ genutzt wird, schleppt sie unberechtigt abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig auf eigene Rechnung ab.

„In der Tat hatte es bei uns einen Fehler in der Datenhaltung gegeben“, sagt der Sprecher der Hamburger Finanzbehörde, Daniel Stricker. „Der Vertrag ist aber jetzt gekündigt.“

Dass es bislang für Zomia noch keinen spruchreifen Nutzungsvertrag gibt, dafür fühlt sich das Bezirksamt Hamburg-Altona inzwischen nicht mehr für zuständig. „Alle Voraussetzungen sind von uns erbracht worden“ , sagt Sprecherin Kerstin Godenschwege. Die Bauwagengruppe könne zum 1. Juli auf das Brammer-Gelände.

Doch das stimmt so nicht: Über einen Nutzungsvertrag mit dem Bezirk herrscht Uneinigkeit – vor allem über die Höhe der monatlichen Pacht. „Ein angemessenes Nutzungsgeld sind wir natürlich bereit zu zahlen“, sagt eine Zomia-Bewohnerin. „Doch die Mietforderung ist völlig absurd.“ Bezirksprecherin Godenschwege zufolge setzt die Miethöhe aber einzig „der Eigentümer“ fest: die Finanzbehörde.

Die wiederum hat sich den gültigen Bebauungsplan angesehen und festgestellt, dass das Areal für fünfgeschossige Gewerbebauten vorgesehen war. Daraus wurde ein Mietpreis von 18 Euro je Quadratmeter errechnet.

Da kommen pro Wagen schnell 280 Euro im Monat zusammen – eine Parzelle in manchem Hamburger Kleingarten-Verein weniger als 500 Euro im Jahr. „Wir waren schwer entsetzt, dass man uns als Gewerbebetrieb einstuft“, sagt eine andere Zomia-Frau. „Das können wir nicht bezahlen und wollen das auch nicht.“

Offenbar gibt es in der Finanzbehörde eine gewisse Einsicht: Ihr sei „ein neues Angebot vorgelegt worden“, sagte am Sonntag die Zomia-Vermittlerin und innenpolitische Sprecherin der Grün-Alternativen Liste, Antje Möller. Sie habe es an Zomia weitergereicht, „darüber müsse aber noch weiter gesprochen und verhandelt werden“. Auch Zomia hat Interesse, nicht in dem Behelfsquartier „zu versauern“, sondern schnell in die „Schanze“ zu kommen.

Sollte der in Aussicht gestellte Termin im Juli wiederum an bürokratischen Hürden platzen, denkt die Gruppe durchaus auch darüber nach, einfach nach Wilhelmsburg zurückzukehren, in „unser Zuhause“, wie ein Sprecher sagt. „Die Fläche ist frei und wird die nächsten zehn Jahre nicht gebraucht.“ Und der einzige Grund, warum man dort nicht habe bleiben dürfen, der frühere SPD-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber, sei ja „zurückgetreten – oder zurückgetreten worden“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • WT
    wem tut nichts zur Sache

    @ Dennis:

     

    "soziale Exklusion" aufhalten, indem junge Studenten ihren Traum vom Bauwagenleben mitten in der Schanze verwirklichen dürfen? - es wäre zum lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

     

    Habt ihr Volltrottel noch nicht verstanden, wie die berühmte "Gentrifizierung" funktioniert? Es sind doch genau solche Projekte, die die Gegend dann auch für Studenten attraktiv machen, die etwas mehr Geld mitbringen. Dadurch steigen die Mieten. Alte, kranke, arbeitslose, vereinsamte Menschen werden vertrieben. Und das ist doch auch in der Schanze schon längst passiert.

     

    Diese Zomia-Leute haben hervorragend verstanden wie das System funktioniert und wollen auch nur ihren eigenen Vorteil rausholen. Auch wenn sie sich sogar vielleicht selber vormachen, dass dem nicht so wäre.

     

    Man muss nur ein einigermaßen großes Potential an Menschen zusammenbringen, sich links und autonom gebärden, und einen gewissen Medienrummel erzeugen. Dann bekommt man von der Stadt seinen "Freiraum" geschenkt, der dann natürlich gegen andere Gruppen verteidigt werden muss undsoweiter...

  • D
    Dennis

    @ Daniela:

     

    Wer behauptet, dass in der Schanze ein Kaltmietpreis von 18€ ein Schnäppchen ist und man selbst am Standrand kaum so billig wohne könne, der hat keine Ahnung von den Verhältnissen. Ich selber wohne in der Schanze, ganz in der Nähe des Sahnestücks, und zwar in einem Haus, mit all den Vorzügen, die dieses eben mit sich bringt. Und auch dafür zahle ich nur in etwa die Hälfte des Preises, den Sie für einen reinen Stellplatz als Schnäppchen bezeichnen.

     

    Darüber hinaus haben Sie etwas weiteres nicht verstanden:

    Gerade vielen Anwohnern hier und generell auch vielen vernünftigen Menschen geht es nicht nur darum, jedes Grundstück möglichst marktlogisch zu verwerten. Dieses Phänomen ist in der Schanze ohnehin groß genug. Ihnen gehts es darum, alternativen Lebensstilen Platz einzuräumen, und zwar nicht am Stadtrand, wo sie nicht zu sehen sind, sondern überall, um die soziale Exklusion zumindest ein wenig aufzuhalten.

     

    ZOMIA WILLKOMMEN!

  • D
    Daniela

    Ich bin ehrlich gesagt schockiert! Und um noch ehrlicher zu sein...dieser Artikel macht mich richtig sauer! Ich habe nichts gegen alternative Wohnformen. Jeder kann sein Leben gestalten wie er mag. Aber: Wir reden hier über einen Fläche mitten in der Schanze. Ein absolutes Sahnestück. Wer von uns würde nicht gern dort wohnen, kann es sich aber nicht leisten. Hier beschwert man sich aber über einen Schnäppchenpreis von 280€ im Monat. Nicht mal am Stadtrand kann man so billig "Wohnraum" bekommen. Und dann die Aussage, das können und wollen wir nicht zahlen. Ja, ihr seit Studenten. Schön und gut. Aber auch ich war mal Studentin und hab mich mit zwei! Nebenjobs über Wasser gehalten. Geht verdammt noch mal arbeiten wie jeder andere auch anstatt euch beschweren!

     

    Ich verbleibe kopfschüttelnt mit den besten Grüßen