Baumärkte verkaufen umweltschädliche Taumittel: Leise rieselt das Salz
Privatleute dürfen in Berlin kein Tausalz auf das Eis streuen. Die Baumärkte verkaufen es trotzdem. Verbraucher- und Umweltschützer fordern vom Handel deutliche Hinweise.
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Bei der Obi-Filiale in Neukölln stapeln sich die Säcke mit Tausalz, fünf Kilogramm kosten rund drei Euro. In diesen Tagen greifen viele Kunden gerne zu, denn Salz hat den Ruf, besonders wirksam gegen Eis auf dem Gehweg zu sein. Doch Salz schadet der Natur. Es sickert in den Boden und beschädigt dort die Wurzeln etwa von Bäumen. Darum darf in Berlin nur die Berliner Stadtreinigung (BSR) Salz streuen. Privatleute können es zwar frei kaufen, aber zum Streuen braucht man eine Sondergenehmigung. Sonst droht ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro.
Aber werden die Kunden darauf hingewiesen? Die taz macht den Test. Eine Obi-Verkäuferin sagt, dass ihr Markt nur Salz anbiete und keine Alternativen wie Splitt oder Sand. Auf die Frage, ob man Salz in Berlin überhaupt ausstreuen dürfe, zieht sie einen Kollegen zu Rat. Der sagt: "Offiziell ist es verboten, aber es ist ja Ihre Sache." Er würde Salz empfehlen, nur das bringe das Eis zum Schmelzen. Auf die Folgekosten von bis zu 10.000 Euro macht er nicht aufmerksam.
Das kann Gabriele Francke, Sprecherin der Verbraucherzentrale Berlin, nicht nachvollziehen: "Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, die Kunden darauf hinzuweisen. Auch wenn es keine gesetzliche Pflicht gibt, gehört es doch zu einer vernünftigen Kundenpflege dazu."
Auch im Hellweg-Baumarkt am Ostbahnhof wird das Tausalz ohne einen entsprechenden Warnhinweis verkauft. Eine Verkäuferin empfiehlt es sogar ausdrücklich: "Wenn es so richtig arschglatt ist, kriegt man das Eis nicht anders weg." Marktleiter Karsten Grüneberg kann die Forderung nach mehr Kundeninformation nicht nachvollziehen: "Der Verbraucher ist selbst dafür verantwortlich, die Gesetze einzuhalten. Es gilt ja auch in der Stadt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 Kilometern pro Stunde, ohne dass dafür überall Schilder stehen müssen." Außerdem sei das Streusalz in Brandenburg erlaubt: "Wir können nicht kontrollieren, ob der Verbraucher das in Brandenburg ausstreuen will oder ob er in Berlin eine Sondergenehmigung hat. Das muss er selbst wissen."
Grüneberg sieht die Politik in der Pflicht: "Wenn Tausalze gefährlich sind, dann sollte der Verkauf und das Ausstreuen bundesweit verboten werden. Wenn sie es nicht sind, dann sollten sie erlaubt bleiben." Die Konfusion durch die unterschiedlichen Regeln müsse die Politik lösen, das könne man nicht auf den Handel abwälzen.
Die Sprecherin des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Carmen Schultze, widerspricht: "Da macht er es sich ein bisschen zu einfach. Das Streusalzverbot ist noch nicht sehr bekannt bei vielen Berlinern. Wenn die in den Baumarkt gehen und das dort kaufen, dann denken sie natürlich auch, dass sie das frei verwenden können." Außerdem sei der ganze Mythos falsch, dass das Salz besser wirke: "Es macht zwar den Weg kurzfristig trittfest, aber sobald es überfriert, muss man wieder nachsalzen. Splitt ist da effektiver, weil er dauerhaft hilft."
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