Bauhilfe für Katrina-Opfer: Brad Pitt rettet New Orleans
Der Hollywood-Megastar hat mit fünf Millonen Dollar ein Projekt angeschoben, das 150 Öko-Häuser für die Opfer von Hurrikan Katrina errichten soll. Jetzt wirbt er um weitere Spenden.
BERLIN taz Brad Pitt wäre gerne Architekt geworden. Nun gut. Jetzt ist er Hollywood-Megastar, und kaum einer aus der gegenwärtigen Spitzenriege der Baumeister wird wohl über das jährliche Einkommen verfügen, das Pitt mit seinen Filmrollen einspielt. Sein Geld setzt er nun für ein Projekt ein, mit dem er seinem früheren Berufswunsch wieder ein bisschen näher kommt und das ihn zugleich als einen der sozial engagiertesten Köpfe im Kinogeschäft ausweist.
Er und Filmproduzent Steve Bing haben je fünf Millionen Dollar für den Wiederaufbau des Lower 9th Ward aufgebracht, jenem Bezirk von New Orleans, der im August 2005 am schwersten von Hurrikan Katrina und der von ihm verursachten Flutwelle getroffen wurde. "Make it Right" hat Pitt das Projekt getauft. Er will dies als Aufforderung an alle Beteiligten verstanden wissen, aus der Katastrophe und ihren Folgen die richtigen Schlüsse für die Zukunft dieses Stadtviertels zu ziehen, das von Katrina praktisch komplett dem Erdboden gleichgemacht wurde. So ist es erklärtes Ziel des Projekts, zunächst 150 Häuser zu errichten: nach ökologischen Kriterien, resistent gegen Stürme und Hochwasser und vor allem zu einem erschwinglichen Preis für die ehemaligen Bewohner des Lower 9th Ward.
Pitt ist mit seinem Projekt durchaus auf politischen Widerstand gestoßen, denn es liegt zwar seitens der städtischen Behörden bisher praktisch kein schlüssiges Konzept für die Stadtentwicklung nach der Katastrophe vor. Auch zwei Jahre danach sind gerade mal 300.000 der ursprünglich 500.000 Bewohnerinnen wieder nach New Orleans zurückgekehrt. Beharrlich sind jedoch die Stimmen, die einen Wiederaufbau der am tiefsten gelegenen und daher von zukünftigen Überschwemmungen am stärksten bedrohten Stadtgebiete ablehnen.
Nicht von ungefähr sieht der Apokalyptiker unter den US-amerikanischen Stadtforschern, Mike Davis, in New Orleans den Versuch am Laufen, mit der Katastrophe eine rassistisch motivierte "Stadtreinigung" durchzuziehen. Denn die Bevölkerung der Quartiere, die der Natur zurückgegeben werden sollen, waren vor Katrina meist arm und schwarz. Das gilt auch für den Lower 9th Ward, obwohl hier der Anteil der Hausbesitzer an der ehemaligen Einwohnerschaft höher ist als in anderen Stadtteilen.
Auch kommt dem Lower 9th Ward in der Geschichte von New Orleans eine besondere Rolle als Heimat zahlreicher Musiker und anderer Protagonisten der für die USA so einmaligen Kultur der Stadt am Mississippi zu. Das weiß Brad Pitt, der bekennender Fan der Südstaatenmetropole ist und mit seiner Familie seit letztem Jahr eine Villa im French Quarter bewohnt. Er glaubt an die Renaissance von New Orleans und dass dafür auch der Lower 9th Ward wieder zum Leben gebracht werden muss. In Interviews hält er mit seiner Kritik gegen die politisch Verantwortlichen nicht hinterm Berg. Er hoffe, so sagte er gegenüber der lokalen Zeitung "TimesPicayune", die Hurrikan-Katastrophe habe den Amerikanern endlich die Augen für die Folgen einer Politik geöffnet, die den ärmeren Teil der Gesellschaft aktiv marginalisiert.
Am Montag weihte er nun im Lower 9th Ward mit einer Feier eine Art riesige Freiluftinstallation ein, die er mit Hilfe des lokalen Künstlers Lionel Milton und des deutschen Architektenteams GRAFT, die Pitt schon mal ein Haus in L.A. gebaut hatten, selbst konzipiert hat. Deren einzelne Teile - mit rosa Plane bespannte Metallgestänge - liegen über eine halbe Meile verstreut im Viertel herum und sind Bruchstücken der dort einst vorhandenen Häusern nachempfunden. Abends werden sie von innen beleuchtet. Ähnlichkeiten zur Land Art von Christo lassen sich nicht verleugnen, doch soll das surreale Dorf quasi als Seismograph für den Fortschritt von "Make it Right" fungieren.
Pitt hat Konzerne, Stiftungen und Kirchen dazu aufgerufen, die zelt- oder kubusförmigen Blöcke für 150.000 Dollar zu "adoptieren". Soviel soll die Konstruktion eines der neuen Häuser im Lower 9th Ward kosten. Für jeden finanzierten Neubau, werden mehrere rosa Puzzleteile zu einer ganzen Hausskulptur zusammengefügt. Erwünscht sind aber auch kleinere Spenden für einzelne Elemente der geplanten ökologischen Ausstattung der Häuser; zum Beispiel für Energiesparlampen, Toilettenspülungen mit geringem Wasserverbrauch und Solarpanels für das Dach.
Der poppige Skulpturenpark zwischen den Spuren der Verwüstung durch Katrina könnte den Eindruck erwecken, ein egozentrischer Promi habe sich hier unter dem Deckmantel der Charity eine makabre Spielwiese für seine kindlichen Architekturfantasien geschaffen. Tatsächlich aber nimmt das "Make it Right"-Projekt die Forderung der Bewohner aus den zerstörten Wohnvierteln nach ihrer Beteiligung an den Wiederaufbauplanungen vergleichsweise ernst. Insgesamt zehn Community-Gruppen und Initiativen aus dem Lower 9th Ward sind in das Projekt eingebunden. Mit ihnen gemeinsam haben Pitt und sein Team Richtlinien entwickelt, nach denen 14 Architekturbüros, neben GRAFT oder MVRDV aus Rotterdam auch fünf örtliche Büros, Prototypen für die Neubauten im Lower 9th Ward geliefert haben.
Die Planer von "Make it Right" erwarten von jenen Bewohnern des Viertels, denen ein Haus neu errichtet wird, eine finanzielle Beteiligung aus Versicherungsleistungen und den staatlichen Hilfen, auf die sie Anspruch haben. Gleichwohl rechnen sie damit, dass es es den meisten Bewohnern im Durchschnitt am nötigen Geld fehlen wird, weshalb sie entschuldbare Darlehen bis zu einer Höhe von 100.000 Dollar vergeben wollen.
Pitts Initiative ist auf jeden Fall zu begrüßen, angesichts der eklatanten Versäumnisse seitens lokaler, einzel- und bundesstaatlicher Behörden beim Wiederaufbau der Stadt. Aber sie erreicht eben nur einen Teil der Bevölkerung und tatsächlich noch nicht mal den ärmsten. Immerhin können die ehemaligen Hausbesitzer des Lower 9th Ward überhaupt mit Entschädigungen und dank "Make it Right" jetzt auch mit der Rückkehr in ihr altes Viertel und in verbesserte Wohnverhältnisse rechnen.
Die rund 30.000 ehemaligen Mieter der acht großen Sozialbausiedlungen von New Orleans haben solche Aussichten nicht. Ihre Wohnungen wurden nur zum Teil vom Sturm zerstört, aber praktisch alle sind von der städtischen Wohnungsbehörde abgeriegelt worden. Um die Siedlungen hat man Zäune hochgezogen. Hier erweist sich der Vorwurf von Mike Davis als haltbar: Die public housing projects waren vor dem Hurrikan als Brutstätten der Kriminalität verschrien. Die Stadt will sie abreißen und durch sozial durchmischtere Wohnanlagen ersetzen. Für die Mehrheit der alten Mieter wird darin kein Platz mehr sein. Sie werden sich wohl dauerhaft auf ein Leben außerhalb von New Orleans einrichten müssen. Der republikanische Kongressabgeordnete Richard Baker aus Louisiana gab unverhohlen seine Erleichterung über das Ende der Sozialbauten zum Ausdruck: "Wir schafften es nicht, aber Gott schaffte es." Dagegen kommt natürlich auch ein Brad Pitt nicht an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!