Bauermann für mehr deutsche Korbjäger: Streit um die Quote
Basketball-Bundestrainer Dirk Bauermann will deutsche Spieler dribbeln sehen und greift die Bundesliga an.
BERLIN taz Dirk Bauermann ist eigentlich kein Hitzkopf. Selbst nach schmerzhaften Niederlagen, die er als Trainer hinnehmen muss, findet der 51-Jährige anerkennende Worte für die Leistung des Kontrahenten. Dass ihm am Wochenende dennoch der Kragen geplatzt ist, lässt darauf schließen, dass es lange in ihm gegärt hat. "Die BBL ist ein entfremdetes Produkt, das niemandem weiterhilft: den Fans nicht, den Sponsoren nicht und der Nationalmannschaft schon gar nicht", wetterte Bauermann. "Wir brauchen ein stärkeres deutsches Profil und mehr Identität. Was bringt mir als Bundestrainer ein Spiel wie vor einer Woche zwischen Ludwigsburg und Oldenburg, in dem kein deutscher Spieler auch nur eine einzige Sekunde Einsatzzeit erhält und keiner der beiden Clubs einen deutschen Trainer beschäftigt."
Er hatte sich bei einer Podiumsdikussion in Rage geredet. Ziel seines Angriffs: Basketball-Bosse, die deutsche Talente verschmähen und stattdessen billige, aber spielstarke Fachkräfte aus den Vereinigten Staaten rekrutieren. "Wir beschäftigen amerikanische Spieler, die in den USA im Supermarkt Kisten schleppen würden, wenn sie nicht hier spielen würden", ereifert sich Bauermann. "Die BBL muss einen stärkeren Beitrag für die Nationalmannschaft leisten als derzeit. Wenn es nicht endlich einen Paradigmenwechsel gibt, wird es nicht weitergehen." Dann hatte er fertig, der Bundestrainer.
So genau hat Bauermann offenbar bei dem von ihm zitierten Spiel nicht zugeschaut, denn ein deutscher Korbjäger durfte schon aufs Parkett. Beim 82:65 von Oldenburg gegen Paderborn bekam Daniel Hain fast fünf Minuten Einsatzzeit. Doch gänzlich falsch liegt Bauermann, der die Nationalmannschaft zu den Olympischen Spielen nach Peking geführt hat, nicht: Ein weiteres Spitzenteam, BG Göttingen, ließ all seine deutschen Akteure bei der 66:71-Niederlage in Quakenbrück auf der Bank. Auch die Telekom Baskets Bonn setzten zuletzt nur auf ausländische Profis.
Die Vereine nutzen die Möglichkeiten, die ihnen die Basketball-Bundesliga (BBL) bietet. Die Liga schreibt vor, dass drei Deutsche auf dem zwölf Spieler umfassenden Spielberichtsbogen stehen müssen. In der kommenden Saison werden es vier sein. Ob diese Spieler zum Einsatz kommen, entscheidet allein der Trainer. Das muss sich ändern, fordert Bauermann und findet etwa in Alba-Manager Marco Baldi Unterstützung. Bereits diskutiert wurde eine 6/6-Regelung, also eine strengere Quotierung, die deutschen Nachwuchsspielern die Eingliederung in den Stammkader erleichtern würde. Auch Dirk Nowitzki ist für die Quote: "Die BBL-Verantwortlichen behaupten immer, von unten, also aus dem Nachwuchs, kommt nichts nach. Aber mit einer derartigen Regelung kann dies auch nicht der Fall sein."
Die Zahlen aus der vergangenen Spielzeit sprechen allerdings gegen Bauermann: Die Einsatzzeit deutscher Spieler stieg um knapp ein Drittel von 15,3 auf 19,7 Prozent. Immerhin 100 der insgesamt 277 eingesetzten Akteure, also 36,1 Prozent, verfügten über einen deutschen Pass. Das Gros der Bundesligaspieler kam freilich aus den USA (140/50,5 Prozent).
Basketballfans diskutieren im Internet seit Jahren über die "Quotendeutschen". Im Forum von schoenen-dunk.de hat man sich sogar die Mühe gemacht, auszurechen, welchen Anteil deutsche Dribbler an der Gesamteinsatzzeit pro Verein hatten. In Oldenburg, Bremerhaven, Braunschweig und Tübingen lagen die Werte in der Vorsaison jeweils unter 7,5 Prozent. In dieser Saison sind es mit Göttingen, Oldenburg und Bonn die derzeit Führenden, die sich wenig um den heimischen Nachwuchs kümmern. Warum auch, wenden deren Manager ein? Die Zuschauerzahlen steigen, das Publikum berauscht sich an der oftmals spektakulären Spielweise der US-Boys. Und BBL-Geschäftsführer Jan Pommer sagt: "Ich finde es ermüdend, dass sich immer alles nur um die sogenannte Deutschenquote dreht." Bei Bauermanns Amtsübernahme habe er gedacht, "wir kriegen einen Bundestrainer, der auch die Zwänge der BBL-Clubs kennt und berücksichtigt, doch da habe ich mich wohl geirrt".
Dirk Bauermann hat in seiner Philippika wohl auch ein bisschen über seine Zwänge gesprochen. Denn wie soll er mit derart wettkampfunerfahrenen Leuten ein schlagkräftiges Nationalteam formen? Manchmal bleibt da nur ein Blick in die USA, nicht unbedingt in Supermärkte, aber doch in die Profiliga NBA. Chris Kaman, eigentlich US-amerikanischer Staatsbürger, wurde wegen einer deutschen Uroma schnell mal eingebürgert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!