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Barbie und der Brummbass

Unfertige Inszenierung, gut aufgelegtes Orchester: Smetanas „Die verkaufte Braut“ hatte Premiere am Bremer Theater

„Brummbass brummt, Trompete schmettert“, oder wie der fesche Hans die schöne Marie am Ende doch noch kriegt. Auf schmalem Pfad wandert wohl jeder, der heute „Die Verkaufte Braut“ auf die Bühne bringt: scheinbar naiv werden in Bedřich Smetanas komischer Oper alle verfügbaren Klischees bedient – das vom Dorftrottel, von der wahren Liebe, von den geldgierigen Alten, vom mit kellertiefem Baß ausgestattenten Intriganten und das vom bruchlosen Happyend. Es hat sich Staub abgelagert auf diesem Stück, den es bei einer heutigen Inszenierung wegzublasen gilt.

Am Samstag Abend im Goethetheater ist es einem Team junger, ambitionierter Gestalter (Regie: Markus Bothe, Bühne: Dirk Becker, Kostüme: Kathrin Plath) zwar gelungen, die Gefahr einer melodienseligen Operette zu umschiffen, eine spannende Aufführung ergab dies jedoch nicht.

Das Team versuchte, durch konsequente Abstraktion jeden der Fallstricke zu meiden, die sich durch Text und Aufführungstradition ziehen. Von Böhmen gab es nur eine der nach der Wende ins Kraut geschossenen Spielhallen zu sehen, in der die Personen ihr Glück suchen, und nur da. Ein aus dem Lot geratenes Wetterhäuschen ironisierte das folkloristische Element: Ein Bühnenbild, das nur die eine Funktion hatte, in der Schlussszene zu vermitteln, dass die Hoffnung trügt, die Jungen könnten der Welt der Älteren entfliehen.

Dieser kluge Gedanke wird aber leider nicht ins Geschehen auf der Bühne umgesetzt. Blass, ohne individuelle Charakterisierung, ohne Spielmöglichkeiten agieren Hans, Wenzel, Marie und deren Eltern an der vom Chor eher repräsentierten als gestalteten Dorfgemeinschaft vorbei. Und Marie im Barbie-Puppen-Outfit – so recht komisch ist das auch nicht.

Unfertig wirkt diese Inszenierung, als fehle nach den Anstrengungen ihrer gedanklichen Konzeption die Kraft für deren bühnenpraktische Umsetzung. Und so ließe sich das allein gelassene Spiel der Akteure ohne Bruch in die Kulissen einer Inszenierung der Prager Nationaltheaters von 1951 transponieren.

Das ist insofern ein Jammer, weil der musikalische Teil trotzdem überzeugte, wenn man sich darauf konzentrieren konnte. Lawrence Renes am Pult ließ das gut aufgelegte Orchester schrill und lärmend wie eine Dorfkapelle klingen, umso nachhaltiger und intim erklangen Passagen der Reflexion, der Trauer und Enttäuschung. Beeindruckend auch die musikalische Leistung des Chores. Mit Jeffrey Steward , Marion Costa und Christoph Wittmann fanden Hans, Marie und Wenzel junge, wohlklingende Sänger, denen darstellerisch jedoch nichts abverlangt wurde. Die alte Garde des Goethetheater (u.a. Katherine Stone und Karsten Küsters) dienten der Inszenierung mit gewohnter routinierter Solidität, aber eben auch nur damit.

So hörte man an diesem Abend wohl den Brummbaß mächtig brummen und die Trompete kräftig schmettern, allein warum der Hans die Marie am Ende doch noch bekam und in welchem Zustand, konnte man nur erahnen. Dankbarkeit des Publikums für die musikalische Leistung und ein kräftiges Buh für‘s Gestalterteam waren die Antwort des Publikums auf diesen Opernabend.

Mario Nitsche

nächste Vorstellungen: 13.11., 22.11., 26.11. und 29.11. jeweils um 19.30 Uhr

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