Barbara Hendricks über Biblis-Skandal: „Verdacht durch nichts begründet“
Schadenersatzzahlungen an RWE zu verhindern findet Bundesumweltministerin Hendricks wichtiger, als Vorwürfe gegen ihr Ministerium aufzuklären.
taz: Frau Hendricks, aus dem hessischen Untersuchungsausschuss, der mögliche rechtliche Fehler rund um die Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis aufklären will, gibt es Kritik an Ihnen: Sie behinderten dessen Arbeit, indem Sie wichtigen Mitarbeitern Ihres Ministeriums keine Aussagegenehmigung erteilen. Haben Sie kein Interesse an Aufklärung?
Barbara Hendricks: Unser vordringliches Interesse ist es tatsächlich, den aus unserer Sicht ungerechtfertigten Rechtsstreit zu gewinnen, den RWE uns aufgezwungen hat, damit wir dem Konzern keinen Schadenersatz bezahlen müssen. Aber natürlich wollen wir auch zur Aufklärung beitragen. Darum erteilen wir denjenigen eine Aussagegenehmigung, die im Jahr 2011 für das politische Handeln des Ministeriums verantwortlich waren – das sind der damalige Minister, der frühere Staatssekretär und der damals zuständige Abteilungsleiter. Untergeordnete Mitarbeiter lassen wir generell nicht aussagen, weil alle Entscheidungen auf der politischen Ebene gefallen sind.
Nun steht aber der Verdacht im Raum, dass sich die politische Führungsebene – fahrlässig oder sogar mit Vorsatz – bei der Begründung und dem Ablauf der AKW-Stilllegungen über explizite Warnungen der zuständigen Fachleute hinweggesetzt hat und dadurch die Schadenersatzforderungen von RWE überhaupt erst möglich geworden sind. Das lässt sich doch nicht entkräften, wenn Sie der Fachebene verbieten auszusagen.
Dieser Verdacht, der da einfach in den Raum gestellt wird, ist durch nichts begründet.
Das sagen Sie. Aus dem Ministerium gibt es auch andere Stimmen.
Es kann schon sein, dass es damals unterschiedliche Auffassungen in der zuständigen Fachabteilung gab. Aber dass die Verantwortlichen sich über den Rat der gesamten Abteilung hinweggesetzt haben, kann ich den Akten nicht entnehmen.
Die 62-jährige SPD-Politikerin ist seit Dezember 2013 Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.
Aber genau um das zu klären, wäre es doch sinnvoll, alle Beteiligten anzuhören.
Nein. Es bleibt dabei, dass die Leitung für die Entscheidung verantwortlich ist. Darum ist es völlig ausreichend, den Verantwortlichen eine Aussagegenehmigung zu erteilen. Statt die Verantwortung auf den Bund zu schieben, sollten die Hessen lieber gemeinsam mit uns versuchen, die Schadenersatzforderungen von RWE abzuwehren.
Den Verdacht, dass vielleicht ein politischer Skandal vertuscht werden soll, werden Sie auf diese Weise nicht ausräumen können. Ist der Wunsch, Schadenersatz zu vermeiden, so wichtig, dass Sie das in Kauf nehmen?
Meine Hauptverantwortung als Ministerin ist es, Schaden vom Staat und damit vom Steuerzahler abzuwenden. Was CDU und Grüne in Hessen machen, ist doch ziemlich durchsichtig: Indem sie alle möglichen Behauptungen in den Raum stellen, versuchen sie von Fehlern der früheren schwarz-gelben Landesregierung abzulenken und sie auf den Bund abzuwälzen.
Aber ist es nicht tatsächlich so, dass alle Entscheidungen auf Bundesebene gefallen sind? Die Kanzlerin hat das Moratorium verkündet, das Bundesumweltministerium hat den Ländern die genauen Formulierungen für die rechtliche Umsetzung geliefert.
Das rechtliche Verfahren, mit dem das Atomkraftwerk Biblis nach dem GAU in Fukushima stillgelegt wurde, war fehlerhaft. Nach dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts klagt der Betreiber RWE jetzt auf 235 Millionen Euro Schadenersatz. In Hessen versucht ein Untersuchungsausschuss des Landtags derzeit zu klären, wie es zu den Fehlern kommen konnte und wer die Verantwortung dafür trägt. In der vergangenen Woche musste die geplante Vernehmung von ehemaligen Mitarbeitern des Bundesumweltministeriums ausfallen, weil keine Aussagegenehmigung für sie vorlag. Im Raum steht der Verdacht, dass die Politik das Verfahren so gestaltet hat, dass die Chancen der Betreiber auf Schadenersatz gestiegen sind.
Falsch. Das Verwaltungshandeln blieb trotzdem bei den Ländern. Es gab zwar eine Formulierungshilfe des Bundes, aber es war Aufgabe und Verantwortung der Länder zu überlegen, wie sie damit umgehen. Niemand hat gesagt: Genau so müsst ihr es abschreiben.
Der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla soll das Verfahren mitgesteuert haben. Braucht es einen Untersuchungsausschuss auf Bundesebene, um solche Vorwürfe aufzuklären?
Ich sehe das nicht. Aber wenn die Oppositionsfraktionen das wollen, ist ihnen natürlich unbenommen, einen einzusetzen.
Hat das Kanzleramt Einfluss auf Ihre Entscheidung genommen, den Mitarbeitern der Fachebene die Aussage zu verwehren?
Nein, natürlich nicht. Die Erteilung der Aussagegenehmigung für den früheren Bundesumweltminister musste – wie immer in solchen Fällen – auf meinen Vorschlag hin vom Bundeskabinett beschlossen werden. Das ändert aber nichts daran, dass ich als Bundesumweltministerin eine Grundsatzentscheidung getroffen habe.
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