■ Barak braucht schnelle Erfolge und Arafat mehr Zeit: Nur das Ziel ist klar
In den nächsten hundert Tagen soll sich entscheiden, ob Ehud Barak und Jassir Arafat Frieden miteinander schließen können. Wohl wissend um die Schwierigkeiten bei entscheidenden Streitpunkten hatten die Architekten von Oslo vor sechs Jahren beschlossen, die Zukunft Jerusalems, der Flüchtlinge und der Siedler sowie die Frage des endgültigen Grenzverlaufs ans Ende des Prozesses zu verlegen. Eine erneute Prinzipienerklärung nach altem Muster ist das Ziel der kommenden hundert Tage.
Ehud Barak ist es, der eine schnelle Entscheidung in die eine oder andere Richtung will. Von Beginn seiner Regierungszeit an setzt der israelische Premierminister zeitliche Ultimaten. Das tut er nicht nur mit Blick auf die Palästinenser. Auch der Truppenabzug aus dem Südlibanon im nächsten Sommer steht, ungeachtet der noch immer nicht begonnenen Verhandlungen mit Syrien, für Barak fest.
Mit dieser Haltung zwingt er seine Partner zum Handeln. Entweder so oder gar nicht, ist seine Devise. Bis jetzt hatte er damit Glück. Ob bei den Koalitionsverhandlungen oder den erweiterten Wye-River-Verträgen, Barak setzte sich immer durch.
Obwohl er selbst viel zu verlieren hätte, wenn er seine Wahlversprechen nicht einhält, ist er ernst zu nehmen. Ehud Barak versteht es, hoch zu pokern.
Ginge es nach Jassir Arafat, würde es sicher nicht um alles oder nichts gehen. Der Palästinenserpräsident bevorzugt den weniger risikoreichen Weg, die Salamitaktik und einen schrittweisen Abzug der Israelis, selbst wenn damit kostbare Zeit vergeudet wird. Solange die Verhandlungen andauern, kann er die Illusion aufrecht erhalten, es ginge um das ganze Gebiet und die Grenzen von 1967, und nicht nur um knapp zwei Drittel, wie es die Israelis planen.
Auch die Amerikaner zeigen sich besorgt angesichts des dichten Zeitplans und vor allem angesichts der großen Diskrepanzen in den Forderungen der beiden Verhandlungspartner. Die versöhnende Geste Ehud Baraks vergangene Woche in Oslo, einem Palästinenserstaat im Rahmen der Abkommen zuzustimmen, wirkt wenig besänftigend, angesichts seiner vier großen Neins zu den entscheidenden Forderungen der Palästinenser.
Dazu kommt die Erweiterung jüdischer Siedlungen, die die Palästinenser als das größte Hindernis im Friedensprozess betrachten. Für Barak sind sie strategisches Mittel bei den Verhandlungen. Der Pokerer hält seinen Joker für den letzten Stich zurück.
Susanne Knaul
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen