Bankenrettung in der Schweiz: Regierung will nicht diskutieren

Der Schweizer Bundesrat hilft mit 209 Milliarden Franken bei der Rettung der Credit Suisse. Das Parlament wird nicht gefragt.

Ein Mann steht mit einem Schild in den Händen vor einer Bankfiliale und hält sich die Hand vor die Augen

Einsamer Protest vor der Credit Suisse Konzernzentrale am Montag in Zürich Foto: Fabrice Coffrini/afp/getty images

BERLIN taz | Der Tenor in den Kommentarspalten der Schweizer Presse und auf Twitter ist eindeutig: ein ordnungs- und demokratiepolitisches Desaster. Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, hatte am Sonntag verkündet, bei der Rettung der Großbank Credit Suisse mit Garantien behilflich zu sein. Nun übernimmt die zweite Schweizer Großbank UBS die CS für 3 Milliarden Franken. Kurz zur Erinnerung: Die UBS hatte selbst 2008 auf der Höhe der Finanzkrise vom Staat gerettet werden müssen. Im Nachklang verschärfte die Schweiz die Regularien für die Banken: „Too big to fail“ sollte der Vergangenheit angehören.

Diese Regeln sahen neben einer höheren Eigenkapitalpflicht für die Geldhäuser vor, dass eine Bank im Krisenfall zerlegt wird. Das aber geht nicht bei einer der weltweit größten Banken wie der CS. Finanzministerin Karin Keller-Sutter und der Chef der Schweizer Nationalbank SNB verteidigten am Sonntag deshalb die Rettung mit staatlicher Hilfe: Eine Zerlegung hätte noch viel größere Verwerfungen an den Finanzmärkten ausgelöst. Nun ist die neue Superbank allerdings erst recht too big to fail: Der Kapitalwert der Bank übersteigt das BIP des Landes künftig um fast das Doppelte. Die Regularien, die das Parlament beschlossen hatte, sind im Krisenfall offensichtlich nicht viel wert.

Bezeichnend ist auch, dass Bundespräsident Alain Berset die Pressekonferenz auf Englisch adressierte. Die Schweiz hat vier Landessprachen, Englisch gehört nicht dazu. Auch die Schweizer Presse wartete am Wochenende vergeblich auf Informationen: Während der mehrtägigen Krisensitzungen hüllte sich die Regierung in Schweigen. Durchgestochene Informationen landeten dann bei der Financial Times und Bloomberg. Die globale Finanzwelt ist offenbar das Publikum, das man informieren will – so die wahrgenommene Botschaft. Das wirkte auf viele Bür­ge­r:in­nen abgehoben.

Der Bund sprach der UBS für den Kauf eine Garantie von 9 Milliarden Franken aus, falls im Keller der CS noch unangenehme Altlasten warten sollten. Dazu kommt eine Liquiditätshilfe von bis zu 200 Milliarden Franken, die je zur Hälfte die Nationalbank und der Bund leisten sollen. Das sind insgesamt 209 Milliarden Franken – ein Viertel des jährlichen Bruttoinlandprodukts der Schweiz.

Das hat die Schweizer Regierung ohne Debatte im Parlament durchgedrückt – mit Rückgriff auf Notrecht nach Artikel 184 und 185 der Bundesverfassung. Die räumen der Bundesregierung erweiterte Rechte ein, „wenn es die Wahrung der Interessen des Landes erfordert“ oder um „unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äußeren Sicherheit zu begegnen“.

Der Finanzsektor in der Schweiz ist so aufgebläht, dass dessen Interesse offenbar deckungs­gleich mit den Interessen des Landes ist

Der Finanzsektor in der Schweiz ist so aufgebläht, dass dessen Interesse offenbar deckungsgleich mit den Interessen des Landes ist. Für die Schweizer:innen, die viel von direkter Demokratie halten, ist das schwer zu schlucken: An vier fixen Terminen pro Jahr wird im Nachbarland in Volksentscheiden über alles von der Rentenreform bis zum Schulbau mitbestimmt. Bei der Bankenrettung wird aber nun am Parlament vorbei regiert.

Einen schalen Beigeschmack vermittelt auch, dass die CS 2022 allen Parteien außer den Sozialdemokraten und den Grünen Spenden in Millionenhöhe zukommen ließ. Im Oktober wird in der Schweiz das Parlament neu gewählt. Bei der linken Wochenzeitung WOZ twittert man: „Die Wahl 2023 muss eine Wahl gegen die Bananenrepublik Schweiz werden.“

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