Banken investieren in Nukleartechnik: Strahlende Geldanlagen
Viele Banken investieren in Atomkraft. Umweltschützer raten deshalb: Wer die Atomindustrie nicht indirekt unterstützen will, sollte sein Geld umschichten.
Mehr als 18 Milliarden Euro haben deutsche Banken zwischen 2000 und 2009 im Atomsektor investiert. Und fast die Hälfte der Summe entfällt auf die Deutsche Bank. Das geht aus einer Analyse des niederländischen Forschungsinstituts Profundo hervor, das im Auftrag mehrerer Umweltorganisationen, darunter Greenpeace, weltweit 80 Atomfirmen unter die Lupe genommen und ihre Geldgeber identifiziert hat. 124 Banken haben durch Kredite, Beteiligungen, Aktien und andere Finanzdienstleistungen insgesamt rund 175 Milliarden Euro in die Atomindustrie gesteckt - vom Uranabbau bis zur Endlagerung.
Für Deutschland hat die Organisation Urgewald die Ergebnisse in einer Broschüre mit dem Titel "Wie radioaktiv ist meine Bank?" zusammengestellt. Neben der Deutschen Bank mit 7,8 Milliarden Euro sind Commerzbank (3,9 Milliarden) und UniCredit/Hypovereinsbank (2,3 Milliarden) sowie - über Landesbanken und die DZ-Bank - auch Sparkassen und Volksbanken im Atomgeschäft vertreten.
Zu den Kunden der Deutschen Bank gehören laut Broschüre nicht nur die vier großen Energieversorger Eon, RWE, EnBW und Vattenfall, sondern auch ausländische Unternehmen wie der französische Atomkonzern Areva, der in aller Welt neue Reaktoren bauen möchte.
Die Deutsche Bank möchte sich zu einzelnen Geschäftsbeziehungen nicht äußern. Vor Kreditvergaben gebe es aber "umfassende Risikoanalysen", sagt ein Sprecher. "Wir halten uns nicht nur an nationale Vorgaben und Gesetze, sondern auch an Leitlinien der Vereinten Nationen und der Europäischen Union." Auch beim Bundesverband deutscher Banken beteuert man, Nachhaltigkeit spiele "im Prozess der Kreditvergabe eine große Rolle". Sämtliche Finanzierungen dürften aber nicht offengelegt werden - wegen des Bankgeheimnisses.
Umweltschützer halten dieses Argument allerdings oftmals für vorgeschoben. "Wir kriegen das vor allem dann um die Ohren gehauen, wenn es sich um problematische Projekte handelt", sagt Regine Richter von Urgewald. Kleinere Ethikbanken veröffentlichten zudem deutlich mehr Informationen. "Es könnte also auch anders gehen." Selbst die großen Banken seien auskunftsfreudig, wenn es beispielsweise um erneuerbare Energien gehe.
Weil bei der Atomfinanzierung aber oft geschwiegen werde, schätzt Richter, dass die tatsächlichen Investitionen noch über den errechneten Summen liegen. Sie fordert daher politische Konsequenzen. Der Gesetzgeber solle sich dafür einsetzen, "dass Bankengeschäfte insgesamt transparenter werden".
Weil das aber momentan nicht absehbar ist, empfiehlt Urgewald allen Atomkraftgegnern den Wechsel der Bank. In der Broschüre sind vier Anbieter aufgeführt, die Atomfinanzierung ausschließen: GLS Bank, EthikBank, Umweltbank und Triodos Bank. Wenn der Kontowechsel zu aufwendig sei, sollten Privatkunden zumindest größere Geldmengen "atomfrei" anlegen.
Ob sie Angst haben, dass ihnen die Kunden davonlaufen, dazu äußern sich Deutsche Bank und Commerzbank nicht; stattdessen verweisen sie auf ihr Engagement im Umweltsektor. "Wir tun sehr viel in diesem Bereich", sagt etwa ein Sprecher der Deutschen Bank. Im Jahresbericht zur gesellschaftlichen Verantwortung kommt der Begriff "erneuerbar" dann auch 37-mal vor. Von Atom- oder Kernenergie wird kein einziges Mal gesprochen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau