Ballack und die Macht: "Ich bin der Kapitän"
Michael Ballack will die Zweifel ausräumen und weist seinen Kollegen Lahm in die Schranken. Zumindest verbal. Derweilen geht DFB-Sportdirektor Sammer fest davon aus, dass Bundestrainer Löw weitermacht.
LEVERKUSEN/BERLIN dpa | Auch am vierten Tage nach dem "Kleinen Finale" des DFB-Teams bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika ist keine der brisanten Personalfragen gelöst worden. Doch vor allem Ballack unterstrich seine Chefrolle. "Ich war verletzt, ich konnte mich nicht einbringen. Aber ich bin immer noch der Kapitän der Nationalmannschaft", erklärte der 33-Jährige bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Rückkehr zu Bayer Leverkusen.
Zur offensiven Ankündigung von WM-Kapitän Philipp Lahm, die Binde nicht wieder freiwillig abgeben zu wollen, stellte Neu-Leverkusener Ballack klar: "Es ist ja auch kein Wunschkonzert, dass jeder Spieler sich wünschen kann, wo er spielt - und genauso ist es in der Kapitänsfrage." Letztlich entscheide der Trainer, bemerkte der in Südafrika wegen einer schweren Fußverletzung fehlende "Capitano". Wer sich als Bundestrainer vor dem ersten Länderspiel der neuen Saison am 11. August in Dänemark mit der Kapitäns-Frage intensiv auseinandersetzen muss, bleibt weiter offen. Joachim Löw hat sich zum persönlichen Findungsprozess in den heimatlichen Schwarzwald zurückgezogen.
Derweil läuft die Pro-Löw-Welle immer weiter. In der Zeitung Die Welt meldete sich nun nach langer Pause auch DFB-Sportdirektor Sammer zu Wort und geht fest von Löws Ja-Wort zu einem neuen Vertrag aus. Ein eigenes mögliches Engagement als Bundestrainer sei für ihn kein Thema. "Es ist erkennbar, dass Löw Freude hat, mit der Mannschaft zu arbeiten, die unter ihm eine positive Entwicklung genommen hat. Diese ist noch lange nicht abgeschlossen", erklärte Sammer und ergänzte: "Ich bin überzeugt, dass er verlängern wird."
Darum befasse er sich auch nicht mit Dingen, "die spekulativ sind. Ich arbeite sehr gern als DFB-Sportdirektor", sagte der ehemalige DFB-Kapitän auf die Frage, was er machen würde, wenn Löw doch Schluss mache. Eigene Abschiedsgedanken für den Fall, dass nicht nur Löw, sondern auch Teammanager Bierhoff ihre Verträge mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) bis 2012 verlängern würden, schloss Sammer aus. "Für mich ist das personenunabhängig. Ich beschäftige mich überhaupt nicht mit dem Gedanken, etwas aufzugeben, in das ich viel Herzblut investiert habe."
Ballack will das Kommando auf dem Weg zur EM 2012 in Polen und der Ukraine wieder übernehmen, um dort doch noch seinen ersten großen internationalen Titel zu gewinnen. "Ich werde mit dem Philipp noch das eine oder andere Wort sprechen. Ich werde es kurz anschneiden, dann ziehen wir an einem Strang und haben neue Ziele, die wir angehen", sagte der Routinier.
Die Ansprüche Lahms und den Zeitpunkt dafür unmittelbar vor dem WM-Halbfinale gegen Spanien (0:1) bezeichnete Ballack als "unpassend" und "diskussionswürdig". Unabhängig davon richtete er herzliche Glückwünsche an Lahm, der am Mittwoch im bayerischen Aying seine langjährige Freundin Claudia Schattenberg geheiratet hat. Bayern-Präsident Uli Hoeneß warnte davor, den Bundestrainer und das neue deutsche Team zu trennen. "Ich sehe wirklich die Gefahr, dass vieles kaputt gemacht wird, was in den letzten Wochen aufgebaut wurde, dass die Euphorie an den Verhandlungstischen zerstört wird. Deshalb muss es ganz einfach gelingen, dass Joachim Löw bleibt - und zwar zusammen mit seinem gesamten Team", erklärte Hoeneß im Magazin Stern.
Kontakt zu Löw hat auch Ballack nach dem WM-Turnier noch nicht gehabt. "Er braucht erstmal etwas Ruhe und Abstand", sagte der 98-malige Nationalspieler am Mittwoch in Leverkusen, kündigte aber eine baldiges Telefonat an. "Ich habe absolutes Vertrauen zu ihm. Er hat mich nach Klinsmann als Kapitän weiter bestimmt", sagte Ballack. Der Länderspiel-Auftakt 2010/11 schon in knapp einem Monat in Kopenhagen aber dürfte für ihn nach seinen Bänderrissen noch zu früh kommen. Ziel sei es für ihn, zum Bundesliga-Start mit Bayer am 21. August in Dortmund "fit" zu sein. "Alles läuft recht gut. Ich befinde mich noch im Aufbau- und Krafttraining und versuche, demnächst mit dem Lauftraining zu beginnen", beschrieb er seinen Genesungsstand.
Dass die Erfolge von Löws "Boy Group" am Kap auch auf eine flachere Hierarchie in der Mannschaft und entsprechend mehr Teamgeist sowie Harmonie zurückzuführen waren, wollte Ballack nicht weiter kommentieren. "Ich weiß nicht, ob es mit mir anderes gewesen wäre", sagte der gebürtige Sachse, verdeutlichte aber, dass man Hierarchien auch akzeptieren sollte: "Ich bin ein Spieler, der seine Meinung vertritt." Und viele Kollegen im Nationalteam seien ja auch keine "Grünschnäbel".
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