piwik no script img

Bahnradsport im CoronalochRadler müssen draußen bleiben

Die Olympia-Vorbereitung ist für die Radsportler auf der Holzbahn überaus kompliziert. Wettkämpfe gibt es in diesen Tagen gar nicht.

Weltmeisterin ohne Wettkampfpraxis: Emma Hinze Foto: Andreas Gora/imago

Berlin taz | Eigentlich sollte in diesen Tagen die Rundenjagd der Six Days im Berliner Velodrom stattfinden. Die Traditionsveranstaltung ist aber abgesagt, wie die ganze Six Days-Serie. „Das Velodrom ist ja auch zum Impfzentrum geworden“, erzählt Theo Reinhardt. Der zweifache Weltmeister im Zweiermannschaftsfahren, auch Sieger bei den Berliner Six Days, vermisst die Wettkämpfe sehr: „Es ist schon ein herber Einschnitt. Die Sechstagerennen waren in den vergangenen Jahren ein wichtiger Bestandteil auch der Trainingssteuerung. Ganz allgemein fehlen die Wettkämpfe.“

Im Sommer letzten Jahres, zwischen den beiden Lockdowns, nahm er immerhin an einigen Straßenrennen teil. Die Straßensaison im Radsport wurde durchgezogen, komprimiert zwar, aber viele Rennen fanden statt. Im Bahnradsport hingegen herrschte Flaute. „Mein letztes Bahnrennen war die WM im März 2020 in Berlin“, erinnert sich Reinhardt. Da holte er mit seinem Partner Roger Kluge Bronze.

Star der damaligen Wettkämpfe war mit Siegen im Sprint, im Teamsprint und im Keirin Emma Hinze. Zeigen konnte sie ihre Regenbogentrikots als Weltmeisterin bislang aber nur im Training. „Wenn ich sie im Training überstreife, erinnere ich mich natürlich an das, was ich geleistet habe. Mein letzter Bahnwettkampf war die WM“, sagt sie in einem Videointerview.

Erste Möglichkeit, ihr Regenbogentrikot zu präsentieren, ist nach aktueller Planung der Nations Cup im schottischen Newport im April. Darauf bereiten sich sowohl Hinze als auch Reinhardt vor. Beide übrigens in Trainingslagern, in die man fliegen muss – kleine Vorteile für Nationalsportler*innen.

Hinze steckte vor zwei Wochen mit der Gruppe der Bahnsprinterinnen im griechischen Rhodos. „Wir hatten dort drei Villen, lebten in einer Blase, abseits von allem. In die Stadt oder in ein Café konnte man ja sowieso nicht“, erzählt sie. Reinhardt bleibt bis Mitte Februar mit der Ausdauerabteilung der Männer in einer Finca auf Mallorca. Auch hier war Abschottung angesagt. „Wir sind extra nicht in Hotels gegangen. Die Betreuung ist aufs Mindeste reduziert, sieben Sportler, Trainer und Physiotherapeut“, so berichtet Reinhardt.

Andauernde Unwägbarkeiten

Der 30-jährige Berliner wirkt trotz der fehlenden Wettkämpfe entspannt. Vor allem die Aussicht auf die Olympischen Spiele ist es, die ihn jetzt im Training motiviert. „Ich bin optimistisch, dass die Spiele stattfinden. Das ist das, was einen gegenwärtig im Training bei der Stange hält.“

Kollegin Hinze geht es ebenso. Sie würde auch nach Tokio fahren, wenn die Spiele ohne Publikum stattfinden, versichert sie. Das Vertrauen ins IOC, dass es Olympia durchzieht, ist bei den Eli­te­sport­le­r*in­nen offenbar groß. Unwägbarkeiten gibt es dennoch. Bei der Bahn-EM im vergangenen Jahr in Plovdiv zog der BDR kurz vor Abreise die Teilnahme zurück. „Das war schon ärgerlich. Zwei Tage vor der WM sagte der Verband, wir fahren nicht“, erinnert sich Reinhardt. Verständnis dafür hat er aber auch: „Es war damals ein Hochrisikogebiet.

Die meisten von uns sind in der Sportfördergruppe der Bundeswehr. Und da hätte es sicher kein gutes Bild abgegeben, wenn wir in ein Hochrisikogebiet gefahren und möglicherweise noch mit einem Coronafall zurückgekehrt wären.“ Als Einzelstarter fuhr nur Maximilian Levy – und siegte im Sprint und im Keirin. Levy, mehrfacher Weltmeister, ist durch Privatsponsoren unabhängig. In Pandemiezeiten spielt das eine große Rolle. Weitgehend privat finanzierter Sport, ob Profisport im Fußball, Tennis oder Radsport oder der werbewirksame Wintersport, wird durchgezogen. Sportarten mit weniger Profiterwartung sind stärker dem allgemeinen Pandemie-Regime unterworfen.

Unterschiede gibt es aber auch hier. Reinhardt, jüngst zum Athletensprecher des Berliner Radsportverbands berufen, und Dreifachweltmeisterin Hinze, sehen durchaus, dass sie es im Vergleich zum Vereinssport und zu den vielen Nach­wuchs­ath­le­t*in­nen besser getroffen haben. „Gruppentraining war in den Nachwuchsklassen nur in bestimmten Situationen möglich“, erzählt etwa Reinhardt. „Mein Alltag ging einfach weiter.“

Jetzt peilen beide Olympia an. Hinze hat den Vorteil, dass sie sich mit ihren Kolleginnen vorbereiten kann. Reinhardt hingegen wird seinen Madison-Partner Kluge wegen dessen Verpflichtungen auf der Straße wohl erst bei Olympia wiedersehen. „Gut möglich, dass das dann unser erster gemeinsamer Wettkampf in diesem Jahr wird“, sagt er. Eine zweite Pandemiesaison mit Hindernissen kündigt sich an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ja, Spitzensport ist ja soooo wichtig. Wo sollen jetzt bloß Cola und Addidas werben?