Bahn-Tarifstreit: Freie Fahrt bis Montag
Bahn und Lokführer-Gewerkschaft vertagen die Tarifverhandlungen. Am Samstag entscheidet das Gericht über die Rechtmäßigkeit des Ausstandes.
Bei der Bahn könnte es in der nächsten Woche wieder Streiks geben - wenn das Arbeitsgericht Mainz den Lokführern weitere Arbeitskampfmaßnahmen nicht ganz verbietet. Der Bahnvorstand und die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) näherten sich jedenfalls bei ihrem Tarifgespräch am Freitag nicht an. Die GDL verlangt einen eigenständigen Tarifvertrag für das Fahrpersonal mit Einkommensverbesserungen von bis zu 31 Prozent. Die Deutsche Bahn AG lehnt dies ab. Auch die anderen Bahngewerkschaften sind dagegen, weil sie eine Spaltung der Belegschaft fürchten. Ihr Tarifkompromiss mit der Bahn vom letzten Montag sieht eine Revisionsklausel vor: Der Vertrag kann aufgekündigt werden, wenn die GDL ein besseres Ergebnis erzielt.
Die Deutsche Bahn AG setzt angesichts einer positiven Geschäftsentwicklung auf einen baldigen Börsengang. Der Konzern erwarte, dass der Bund noch in diesem Jahr die Weichen stellt, damit im ersten Halbjahr 2008 erste Anteile am Kapitalmarkt platziert werden könnten, sagte Bahnchef Hartmut Mehdorn am Freitag. Zunächst könnten 25 oder 30 Prozent privatisiert werden. Befürchtungen, "Heuschrecken" könnten bei der Bahn einsteigen, wies Mehdorn als Angstmacherei zurück. Der Bund behalte in jedem Fall die Mehrheit der Anteile. Umwelt- und Verbraucherschutzverbände warnten allerdings auch vor der geplanten Teilprivatisierung. Die Fahrgäste müssten aufgrund von einem Börsengang oder Teilverkauf der Bahn mit Preissteigerungen und schlechteren Verbindungen rechnen; die Mitarbeiter hätten deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen zu erwarten.
Die Tarifverhandlungen zwischen Bahn und GDL sollen nun am Donnerstag fortgesetzt werden. "Der nächste Donnerstag is nun definitiv das letzte Mal, wo es uns gelingen kann, eine Lösung zu finden", sagte GDL-Chef Manfred Schell. Ob und wann es Warnstreiks gebe, könne er im Moment nicht sagen. Dies hänge auch von der Entscheidung des Mainzer Arbeitsgerichtes ab, die für Samstag angekündigt ist.
Am Dienstag hatte das Gericht der GDL Streiks in einer einstweiligen Verfügung untersagt. Nun geht es um eine Entscheidung in der Hauptsache. "Wir gehen davon aus, dass die einstweiligen Verfügungen aufgehoben werden", sagte GDL-Sprecherin Gerda Seibert der taz. Der Vorwurf der Bahn, die GDL habe die Friedenspflicht verletzt, sei sehr formal und an den Haaren herbeigezogen. Sollte die GDL nicht recht bekommen, werde sie das Landesarbeitsgericht anrufen.
Sollte das Gericht die Verfügung aufheben, sind die juristischen Hürden für einen Arbeitskampf beiseitegeräumt. Am Montag treffen sich der Hauptvorstand der GDL und die Tarifkommission, um über ihr weiteres Vorgehen zu beraten. Möglich wären neue Warnstreiks und - sollten die Tarifgespräche scheitern - die Einleitung von Urabstimmungen für einen regulären Streik. Bis zu dem Treffen soll nicht gestreikt werden.
Der Konflikt zwischen Bahn und GDL wird auch bei der Bahngewerkschaft Transnet mit Spannung verfolgt. Transnet-Sprecher Oliver Kaufhold lud die Lokführergewerkschaft am Freitag zu gemeinsamen Tarifverhandlungen mit der Bahn über ein neues Eingruppierungssystem ein. "Dabei kann man auch über Verbesserungen für Lokführer reden", sagte Kaufhold der taz. Das starre Einstufungssystem müsse ohnehin reformiert werden, diese Frage sei im jüngsten Entgelttarifvertrag ausgeklammert worden. Bis zum Ende des Jahres könne das neue System beschlossen sein.
Die GDL bekam indes überraschende Unterstützung: FDP-Vizechef Rainer Brüderle warf Bahnchef Hartmut Mehdorn vor, den Konflikt mit Zeitungsanzeigen zu verschärfen. Auf diese Weise würden neue Streiks provoziert, so Brüderle. Die Bahn hatte getan, was Unternehmer - denen die FDP für gewöhnlich nahesteht - in Tarifkonflikten gerne machen: Sie hatte ihre Sicht in großflächigen Anzeigen unters Volk gestreut. Die GDL vereinbare mit Wettbewerbern deutlich niedrigere Tarife, fordere bei der Deutschen Bahn aber 31 Prozent mehr Lohn für das Fahrpersonal, hieß es darin.
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