Bäume gegen Wüstenbildung: Die Sahara wird grün
In Dan Saga im Niger pflanzen Bauern Bäume und holen sich so ein Stück der Wüste zurück. Ausländische Entwicklungshelfer verschnarchen den Trend zum Grünen.
NIAMEY taz Neben fast jedem Haus in Dan Saga steht ein Baum. Im Schatten sitzen alte Männer auf bunten Strohmatten, Frauen zerstoßen Getreide in Mörsern und haben ein Auge auf spielende Kinder. Auf den Äckern arbeiten Bauern im Schatten weiterer Bäume. Johlend lenkt ein Mädchen einen mit Wassertonnen und Teenagern vollgepackten Ochsenkarren.
Die Sahara ist mit 9 Millionen Quadratkilometern die größte Wüste der Welt. Sie bedeckt ein Drittel Afrikas zwischen dem Atlantik und dem Roten Meer, in Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Sudan, Tschad, Niger, Mali und Mauretanien. Seit Jahren dehnt sich die Wüste in die südlich der Sahara gelegene Sahelzone aus. Gründe dafür sind das Abholzen von Bäumen für Feuerholz, die Überweidung durch Viehherden und die Klimaerwärmung.
Diese führt zu extremen Wetterlagen wie Dürren und Überschwemmungen und damit zu einem Verlust an fruchtbarem Boden, hieß es dazu vorige Woche auf einer UN-Tagung in Senegal. Dies zwinge immer mehr Menschen zur Auswanderung. Der nigerianische Umweltaktivist Newton Jibunoh forderte verstärkte Wiederaufforstung als eigenen Beitrag der Sahelstaaten gegen die Wüstenausbreitung: "Für jeden gefällten Baum sollten vier neue gepflanzt werden", sagte er. D.J.
Dan Saga ist ein Dorf in Niger am Rande der Sahara; der großen Wüste, die sich infolge des Klimawandels wie durch menschliches Zutun ausbreitet. Noch vor einigen Jahren war es auch in Dan Saga kahl: "In den Siebziger- und Achtzigerjahren hatten wir schreckliche Dürren", erzählt der Bauer Issa Ibahimi. "Damals haben wir alle Bäume gefällt, um mehr Land für Ackerbau frei zu machen. Was wir falsch gemacht hatten, begriffen wir erst, als wir sahen, wie auf verlassenen Feldern vieles von allein nachwuchs. So dachten wir: Wir lassen die Schößlinge wachsen." Und die Bauern begnügten sich nicht mit dem Wildwuchs, sondern pflanzten im Dorf selbst Bäume an.
Baum, der Erntehelfer
Unter einem von ihnen sitzt der Bauer. Es ist der älteste Baum der Dorfes, ein Neembaum. "Dieser und vier andere Neembäume waren die ersten. Die übrigen vier starben, aber dieser hier ist unser Stolz. Damals konnten wir nicht draußen sitzen wie jetzt. Staub und Sand wirbelten nur so herum. Jetzt haben die Bäume den Wind gezähmt."
Die Bäume spenden nicht nur Schatten. Die Wurzeln des Gaobaums, eine Akazienart, fixieren die Erde auf den Feldern, sodass sie nicht erodiert. Herabgefallenes Laub dient als Humus. "Früher konnten wir von einem Hektar sieben Lagerräume mit Hirse füllen. Heutzutage holen wir von einen Hektar mehr als das Doppelte", sagt Issa Ibrahimi.
Zweige werden auf dem Markt als Brennholz verkauft. Die Gaoblätter dienen auch als Viehfutter. Aus den Blättern des Baobab lässt sich Soße kochen, die des Neembaums besitzen medizinische Wirkung bei hohem Blutdruck und beginnender Zuckerkrankheit.
Dan Saga ist keine Ausnahme. Im Süden von Niger ergrünt es vielerorts am Rand der Wüste. Der Vergleich von Satellitenfotos zeigt, wie in den vergangenen 25 Jahren auf mehr als 50.000 Quadratkilometern Bäume gewachsen sind - einer Fläche so groß wie Niedersachsen. "Man schätzt, dass 65 Millionen Bäume angepflanzt wurden", erzählt der niederländische Bodenexperte Chris Rey. "Aber ein großer Teil davon ist innerhalb von ein paar Jahren gestorben. Anpflanzen ist kompliziert und relativ teuer." Dafür belaufe sich die Zahl der wild gewachsenen Bäume, die von Bauern auf den Feldern gepflegt würden, auf 200 Millionen.
Immer mehr Bäume scheinen sich an die härter werdenden Bedingungen anzupassen, selbst wenn sie dafür mitunter Hilfe benötigen. Große Strecken entlang der Autostraße, die von Westen nach Osten quer durch Niger führt, sind von hohen Bäumen flankiert. Ebenso oft sieht man junge Schößlinge, die mit Strohmatten gegen hungrige Ziegen geschützt werden.
Die vielen ausländischen Entwicklungshelfer in Niger scheinen den Trend zum Grünen nicht bemerkt zu haben. Ein ausländischer Mitarbeiter einer Hilfsorganisation schaut verblüfft, als er darauf angesprochen wird. "Ich sehe hier und da Bäume, aber eine Begrünung des Sahel?", wundert er sich. Larwanou Mahamane, ein nigrischer Forstwissenschaftler, muss darüber lachen. "Der Mann ist wie viele seiner Kollegen zu sehr mit eigenen Projekten beschäftigt. Sie können oder wollen die Begrünung nicht sehen. Schließlich ist es kein spektakuläres Projekt, das Hilfsorganisationen oder Regierung gestartet haben. Es ist eine Eigeninitiative der Bauern."
Der Wissenschaftler von der Universität der Hauptstadt Niamey erforscht die Folgen der Begrünung für Bauern und Umwelt. Er betont, dass Initiativen aus der Bevölkerung selbst kommen müssen, wenn sie Erfolg haben sollen. "Trotzdem bleibt Hilfe von außen nötig. Nicht in der Form von Kisten voll Geld und Organisationen, die den Bauern sagen, was sie tun sollen, sondern durch Ausbildung von lokalen Experten."
Hilfsorganisationen hören nicht auf die Bevölkerung
Zinder, ein Städtchen 450 Kilometer östlich von Dan Saga, ist ein Zentrum von Hilfswerken. An den Straßenecken weisen bunt bemalte Schilder den Weg zu ihren Büros. Sie kamen im Jahr 2005 in großer Zahl, als eine Dürreperiode in Niger zu einer Hungersnot führte, die weltweit Schlagzeilen machte. Einheimische Organisationen betrachten die neuen Partner mit Skepsis. "Hilfe aus dem Ausland ist wunderbar, aber es mangelt den Organisationen an eines: Sie hören nicht auf die Bevölkerung", meint Amadou Bachir von der Organisation SOS Sahel, die seit zwanzig Jahren in Zinder tätig ist. "Wir machen es anders. Wir hören uns an, was die Menschen zu sagen haben. Es kostet Zeit, die Menschen in aller Ruhe erklären zu lassen, was ihre Probleme sind und was sie als Lösung sehen."
Amadou Bachir ist Forstwissenschaftler. Er ist entzückt über die Begrünung des Sahel, findet aber, dass Initiativen dazu der Bevölkerung ebenso wenig aufgedrängt werden dürfen wie andere Entwicklungshilfeprojekte. "Das ist der Grund, warum so viele Projekte scheitern", meint er.
Er erzählt über das Dorf Kupkup, wo die Einwohner angefangen haben, die Schößlinge zu pflegen, die wild auf ihren Ackern wachsen. Seit kurzem pflanzen sie selber Bäume. SOS Sahel brachte einige Dorfbewohner ins ferne Dan Saga, damit sich die Bauern untereinander darüber austauschen können.
Der Weg nach Kupkup führt durch ein abgeholztes Gebiet mit kargem Boden. Ab und zu wächst etwas müde aussehende Hirse auf einem Feld. Die Armut ist offensichtlich sehr groß. Die Mittagshitze beträgt 43 Grad. Ein paar Hühner und Ziegen liegen still im Schatten eines Hauses. Selbst der dünne Esel schweigt. Mahadi Adamon, ein 40-jähriger Bauer, sitzt auf einer farbigen Matte mit anderen Dorfbewohnern. Sie sprechen über ihre Zukunft. "Mit den Bäumen werden wir die Sahara aufhalten und unsere Äcker wieder fruchtbar machen", erzählt er zuversichtlich.
Aber ist die Umgebung nicht zu trocken für Landwirtschaft? Mahadi Adamon widerspricht und will es beweisen. Nach zwei Kilometern schweißtreibendem Fußmarsch deutet der Bauer auf kleine Schößlinge, die von niedrigen Kriechpflanzen umgeben sind. "Die Pflanzen sorgen dafür, dass die Erde nicht wegweht. Zwischen den Wurzeln leben Insekten. So fängt der Prozess an, dass die Erde wieder fruchtbar wird."
Kupkup hat während der Dürreperiode und der Hungersnot schwer gelitten. Die Sonne versengte die Ernte, Geld für Essen hatte die Bevölkerung nicht. Die Bauern merkten, dass es so nicht weitergehen konnte. Bäume schienen Abhilfe zu versprechen. "Wir haben erst mal die Schößlinge in den Feldern gesichert und geschützt", erklärt Mahadi Adamon. "Eine Hilfsorganisation, die uns vor zwei Jahren mit Nahrung versorgte, gibt uns Bäumchen. "Es dauert noch drei Jahre, bis auf diesem Stück Land wieder eine Ernte eingefahren wird. Aber der Gedanke daran macht mich sehr froh."
Die nigrischen Behörden unterstützen die Initiative von Kupkup. Die Regierung finanziert Baumpflanzungen auf der anderen Seite des Sandweges, als Windschutz. Stundenlang haben die Einwohner von Kupkup diskutiert, wie das Land nachher verteilt wird.
Dabei stoßen sie auf neue Probleme: Niger hat die höchste Bevölkerungswachstumsrate der Welt, über drei Prozent sind es im Jahr. Bauern haben oft nicht genug Land, um es unter all ihren Kindern zu verteilen. Was liegt näher, als durch Wüstenbekämpfung mehr Land zu schaffen für mehr Menschen? "Wenn wir die Wüste mit Bäumen aufhalten können, ist alles andere ein Kinderspiel", meint Mahadi Adamon.
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