Bäume am Stuttgarter Bahnhof: Bahn soll aufs Fällen verzichten
Die Chancen für das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 stehen nur noch bei fünfzig zu fünfzig. Deshalb appelliert OB Fritz Kuhn an die Bahn, nicht zu roden.
BERLIN dpa/taz | Das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 sorgt weiter für Ärger. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hat an die Deutsche Bahn AG appelliert, auf die bereits angekündigten Baumfällarbeiten im Zusammenhang mit dem Neubau des Tiefbahnhofs zu verzichten.
Solange nicht über die Zukunft des Bahnhofsprojekts entschieden sei, tue die Bahn gut daran, die Rodungsarbeiten noch einmal zu überdenken, sagte Kuhn am Montag in Stuttgart. Noch seien Projekt und Finanzierung nicht gesichert. Wenn die Bahn darauf verzichte, die Bäume abzuholzen, könne das Vertrauen schaffen.
Der bundeseigene Mobilitätskonzern hatte Ende vergangener Woche neue Baumfällarbeiten angekündigt – unter anderem entlang des Neckarersatzbachs im Stadtteil Untertürkheim. Ende Januar hatte die Bahn zugestanden, dass sie auf einige Abholzungen verzichten könne. Rechtlich hat die Stadt aber keine Möglichkeit, die Arbeiten zu verbieten, wenn das betroffene Grundstück der Deutschen Bahn gehört.
Offen Alternativen diskutieren
Unterdessen wachsen die Zweifel an dem Projekt, den Stuttgarter Kopfbahnhof durch einen Durchgangsbahnhof im Tunnel zu ersetzen, um große frei werdende innerstädtische Bahnflächen bebauen zu können. Bahn-Aufsichtsratsmitglied Alexander Kirchner bezifferte die Chancen für den Bau des umstrittenen Tunnelbahnhofs inzwischen mit fünfzig zu fünfzig. „Ein Augen-zu-und-durch kann es auf keinen Fall geben.“ Es müsse nun offen über Alternativen diskutiert werden, forderte der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft EVG am Montag im Deutschlandfunk.
Aber auch ein Aus wird nach Ansicht Kirchners teuer. „Ein Abbruch kostet aus heutiger Sicht 2 Milliarden Euro – ohne dass man einen funktionsfähigen Bahnhofknoten in Stuttgart hat.“ Deshalb sieht Kirchner auch das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart, die von Grünen geführt werden und das Bahnhofsprojekt vehement ablehnen, in der Pflicht.
Die Frage sei, was passiere, wenn das Neubauprojekt tatsächlich abgebrochen werde. „Dann haben wir in Stuttgart einen Scherbenhaufen und für die nächsten zehn Jahre keinerlei Entwicklung in diesem Bereich.“ Mit dieser Situation müssten sich dann alle Projektpartner befassen.
Die Projektgegner prüfen derweil, Strafanzeige gegen die Bahnspitze wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs zu erstatten. „Nach meiner Einschätzung liegt hier ein grob pflichtwidriges Verhalten des Vorstands vor“, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, Eisenhart von Loeper, der Stuttgarter Zeitung. Immerhin kreide das Bundesverkehrsministerium der Bahn-Spitze gravierende Verfehlungen an – darunter verspätete und sogar falsche Information des Aufsichtsrats zu den Mehrkosten in Höhe von bis zu 2,3 Milliarden Euro sowie zu ihrer Finanzierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag