Badminton-EM in Deutschland: Beschleunigung first
Bei der Badminton-EM im Saarland kämpfen deutsche Athleten um die Olympiaqualifikation für Paris – und gegen das Randständige ihres Sports.
Am Ende fällt Fabian Roth vor Erleichterung auf die Knie und ballt die Fäuste. Gerade hat sein Gegner, der Österreicher Luka Wraber, den letzten Ball ins Netz gesetzt und Roth damit sein Auftaktmatch nach 36 Minuten gewonnen. Roth ist „nur“ die Nummer 86 der aktuellen Weltrangliste, doch auf ihm ruhen die deutschen Hoffnungen im Herren-Einzel.
„Es war wichtig, dass ich mich gut bewege, dann kommen die Schläge auch besser und dann ist es einfacher, nicht über andere Dinge nachzudenken“, sagt Roth nach dem Spiel. Der Druck auf ihn ist groß – er muss es bis ins Achtelfinale schaffen, um sich die Olympiateilnahme zu sichern. Nur ein Sieg gegen den Franzosen Alex Lanier fehlt ihm dafür noch, denn auch sein zweites Spiel, gegen den Ungarn Gergo Pytel, konnte er recht souverän 2:0 gewinnen.
Auch Kai Schäfer, der zweite deutsche Starter, kämpft um Punkte für Paris im Sommer. Doch die Nummer 81 der Weltrangliste hatte kein Losglück und bekam es bereits in der ersten Runde mit Viktor Axelsen zu tun – der Däne ist derzeit die Nummer eins der Welt und Titelverteidiger; Schäfer verlor deutlich in zwei Sätzen. Auch andere Stars sind derzeit in Saarbrücken zu sehen. Zum Beispiel die amtierende Europameisterin Carolina Marin. Die Spanierin war ebenfalls lange die Nummer eins der Welt, aktuell ist sie die Fünfte der Rangliste. In ihrem ersten EM-Spiel fegte sie die Schottin Rachel Sudgen aus der Halle, gönnte ihr nur 13 Punkte.
Noch bis Sonntag findet die EM im Badminton statt. Die erste nach 42 Jahren in Deutschland. Wer die Spiele mit 200 Athleten aus 50 Ländern sehen möchte, muss ins Saarland reisen. Wer dafür keine Zeit hat, kann die Spiele live im Netz verfolgen: hylo.sport bietet einen Stream an – der Sponsor aus der Pharmabranche macht es möglich.
Formel 1 des Hallensports
Im analogen Fernsehen werden die Spiele nicht gezeigt. Badminton ist in Deutschland eine Randsportart, eine, die viele nur als Federball kennen. Dabei sind Badmintonspiele rasant wie Formel-1-Rennen und spannend wie das Schießen im Biathlon. Der Veranstalter der EM spricht vom „schnellsten Sport der Welt“. Nach einem Smash bei den Männern fliegt der Ball mit bis zu 565 Kilometern in der Stunde, bei den Frauen liegt der Rekord bei 438.
In Asien werden alle großen Turniere live übertragen und erreichen hohe Einschaltquoten. Die Topspieler sind umjubelte und hoch bezahlte Stars. Im Spiel sind sie ständig in Bewegung, verbiegen den Körper, um den Ball doch noch irgendwie zu erwischen – der Albtraum jedes Physiotherapeuten.
Beim Physio ist Mark Lamsfuß derzeit Stammgast. Der beste deutsche Badmintonspieler hätte so gern an der Europameisterschaft teilgenommen. Doch das Knie spielt nicht mit. Bitter: Bei der vergangenen EM hatte er noch zwei Titel gewonnen – im Doppel und im Mixed. Nun musste er seiner Mixed-Partnerin Isabel Lohau das enttäuschende Aus nicht nur für die EM, sondern auch für die Olympischen Spiele in Paris beibringen. Dabei waren beide zwischenzeitlich bis auf Platz acht der Weltrangliste vorgerückt: „Natürlich ist da die eine oder andere Träne geflossen, aber sie hat es sehr professionell aufgenommen.“
Lamsfuß ist nicht der einzige Verletzte im Team. Auch die aktuell beste deutsche Badmintonspielerin, Yvonne Li, musste passen – das rechte Knie erlaubt es nicht. Schon vor einem Monat hat Nationalspielerin Stine Küspert ihre Teilnahme nach einem Kreuzbandriss absagen müssen. So ist nun Miranda Wilson die einzige Deutsche im Feld. Das Auftaktspiel konnte sie meistern. Gegen die Irin Rachael Darragh waren aber zwei hart umkämpfte Sätze notwendig. Als zu stark erwies sich dann die Türkin Neslihan Arin.
Lamsfuß, zum Zuschauen verdammt, sah am zweiten Tag einen Sieg seiner Partnerin Lohau. Die Silbermedaillengewinnerin der letzten EM gewann ihr Auftaktspiel im Damendoppel an der Seite von Linda Efler gegen die Niederländerinnen Odijk/ Leijsen deutlich. Danach meinte Lohau: „Es fallen ja jetzt einige verletzt aus. Die Medaillenchancen sind in Summe geschrumpft, aber wir sind weiter motiviert und im Plan.“
Zudem gab es drei weitere Erstrundensiege für deutsche Doppel, zuletzt für das einzige deutsche Herrendoppel Bjarne Geiss und Jan Colin Völker. Die beiden 26-Jährigen sagten nach ihrem knappen Sieg gegen das französische Duo Corvee/Labar: „Wir sind sehr zufrieden. Für uns beide ist es die erste individuelle EM. Da ist man natürlich irgendwie heiß.“
Gleich vier deutsche Teams scheiterten bei der Heim-EM bereits an der Auftakthürde und schieden aus. Für eine positive Überraschung sorgten die mit einer Wildcard des Deutschen Badmintonverbandes ins Turnier gegangenen Jones Jansen und Thuc Phuong Nguyen. Im Mixed schalteten sie erst das schwedische Duo Ekman/ Wang und in Runde zwei auch die Schotten Hall und MacPherson aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft