Baden in Berlin: Oben ohne für alle
Nach der Diskriminierungsbeschwerde eines weiblichen Badegasts sorgen die Berliner Bäder für Klarheit: Oben ohne Schwimmen ist in allen Bädern zulässig.
Vorausgegangen war die Diskriminierungsbeschwerde einer Frau bei der Ombudsstelle der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung. Die Frau war am 18. Dezember in einem Schwimmbad vom Aufsichtspersonal aufgefordert worden, die Brüste zu bedecken. Als sie dem nicht nachkam, wurde sie des Bades verwiesen.
Gegenüber der Ombudsstelle hatte die Frau darauf verwiesen, sie habe nicht, wie Männer, „oben ohne“ schwimmen dürfen, obwohl die Haus- und Badeordnung der Bäder-Betriebe keine geschlechtsspezifischen Festlegungen treffe. Lediglich das Tragen „handelsüblicher Badekleidung“ sei vorgeschrieben.
Die Beschwerde hatte Erfolg. Die Ombudsstelle intervenierte bei den Bäder-Betrieben. Nun erfolgte von deren Seite die Klarstellung, dass die Frau die Haus- und Badeordnung richtig ausgelegt hat: Es gebe keine geschlechtsspezifischen Vorschriften in Bezug auf die Badebekleidung. Allerdings sei die Hausordnung je nach Bad zum Teil unterschiedlich gehandhabt worden, räumten die BBB ein.
Im Zweifel habe das Personal den Begriff „handelsübliche Badebekleidung“ so ausgelegt, dass Frauen beziehungsweise weiblich gelesene Personen ihre Brust zu bedecken hätten. Handelsübliche Badekleidung sei aber lediglich als Abgrenzung zu normaler Straßen- und Alltagsbekleidung zu verstehen. Dass der Oberkörper bedeckt sein müsse, bedeutet das nicht.
Mit einer internen Dienstanweisung habe man das in den Bädern nun für die Zukunft klargestellt, teilte Bädersprecherin Kristina Tschenett der taz mit. „Schwimmen ‚oben ohne‘ ist für alle Personen gleichermaßen erlaubt.“ Auch Sonnenbaden mit nacktem Oberkörper werde grundsätzlich toleriert.
Den BBB sei es ein Anliegen, dass sich alle Menschen in den Bädern wohl- und willkommen fühlen, betonte Tschenett. Dass es manchmal Fragen gebe, auch seitens der Badegäste, gehöre dazu. Auch als erstmals Menschen mit Burkinis – Ganzkörper-Schwimmanzügen – in den Bädern auftauchten, habe es Diskussionen gegeben, erinnert sich Tschenett. Egal ob Burkini oder oben ohne, „wir wollen in den Bädern der Vielfältigkeit von Berlin durch eine weitgehende Toleranz gerecht werden“.
Der Vorgang zeige, wie erfolgreich die Einrichtung der Ombudsstelle sei, erklärte deren Leiterin Doris Liebscher. Dass die Bäder-Betriebe ihre Haus- und Badeordnung geschlechtergerecht anwenden wollten, sei zu begrüßen. Damit werde nicht nur gleiches Recht für alle Berliner*innen hergestellt, ob männlich, weiblich oder nicht-binär, sondern auch Rechtssicherheit für das Personal in den Bäder-Betrieben geschaffen. „Jetzt geht es darum, das Badepersonal entsprechend zu briefen, damit die Regelung auch konsequent angewendet wird und keine Platzverweise oder Hausverbote mehr ausgesprochen werden.“
Für bundesweites Aufsehen hatte bereits der sogenannte Berliner „Plansche-Fall“ gesorgt. Eine Frau hatte im Sommer 2021 in einer Grünlage im Bezirk Treptow-Köpenick wie männliche Besucher auch „oben ohne“ auf einer Wiese gelegen. Vom Sicherheitsdienst darauf angesprochen, hatte sie sich geweigert, sich etwas anzuziehen. Polizisten und Sicherheitsleute hatten sie daraufhin des Parks verwiesen.
Auch diese Frau hatte sich an die Ombudsstelle gewandt. Wie im aktuellen Fall sah sie Diskriminierung und empfahl dem Bezirksamt, die Bekleidungsregeln in der „Plansche“-Nutzungsverordnung klarzustellen. Nun steht da, dass die Badebekleidung „die primären Geschlechtsorgane vollständig bedecken“ müsse. Die weibliche Brust gilt als sekundäres Geschlechtsorgan. Wer sich mit freiem Oberkörper in der Plansche sonnt, muss also wie in den öffentlichen Bädern keinen Rauswurf mehr befürchten.
Gegenüber der Frau, die im Dezember des Schwimmbads verwiesen worden war, habe man sich in einem Schreiben für „die Missverständnisse“ im Übrigen entschuldigt, teilten die Berliner Bäder-Betriebe mit.
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