Badekappenköppe im Literatursalon

Es ist ein Wunder, dass es den BFC Dynamo noch gibt. Nun wird der Ex-Stasi-Verein auch fürs Feuilleton salonfähig

Vom Fußballstadion im Sportforum Hohenschönhausen bis zum Literarischen Colloquium Berlin (LCB) am Wannsee ist es ein weiter Weg. Den übel beleumundeten BFC Dynamo aus dem Sportforum hätte bis vor kurzem wohl kaum jemand mit der Berliner Heimstätte für die Kunst des geschriebenen Wortes in Verbindung gebracht. Andreas Gläser heißt der Mann, der es geschafft hat, den DDR-Rekordmeister und derzeitigen Verbandsligisten in die literarischen Salons der Hauptstadt zu platzieren.

„Der BFC war schuld am Mauerbau“ heißt Gläsers Kompilation von Prosatexten, aus der er vor kurzem im LCB vorlas. Die gesamte Vereinshistorie, von der ersten Meisterschaft über den Niedergang nach der Wende und die Umbenennung in FC Berlin bis zur Rückkehr ins lokalsportliche Rampenlicht als Gewinner des Berliner Landespokals unter altem Namen, all das beschreibt Gläser vermengt mit seinen persönlichen Erinnerungen als Fan. Wie diese für gewöhnlich aussehen, auch das lässt Gläser nicht unerwähnt: „Badekappenfrisur und Bomberjacke“. Über die Berliner Lesebühnenszene hat es der Autor zu leidlicher Popularität gebracht, jetzt wird er vom Aufbau-Verlag als Proletarier-Dichter in der Literaturszene positioniert. Der Autor mit der Badekappenfrisur macht den BFC Dynamo salonfähig.

Die Rockerepisode

Die Weinroten sind wieder in vieler Munde. Dabei ist es schon erstaunlich, dass es den Verein überhaupt noch gibt. Vor einem Dreivierteljahr stand der damalige Oberligist nach der Pleite des Hauptsponsors vor dem Aus. Der alte Vorstand musste abdanken. Zwei Hells Angels enterten die Geschäftsstelle und führten den Verein. „Das hat doch keiner gewusst, dass es die Rockerbande im Osten überhaupt gibt“, erinnert sich Andreas Gläser an die Zeit der Wirren. Schlechte Erinnerungen hat man aber nicht an die Rockerepisode. Immerhin haben die Höllenengel Rayk Bernt und Andre Sommer mit persönlichen Finanzspritzen dafür gesorgt, dass überhaupt ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden konnte. Vorzeigbar waren die Rocker allerdings nicht. So machte sich eine Interessengemeinschaft (IG BFC) er auf die Suche nach einem seriösen Vorstand. In einem Kneipengespräch zu vorgerückter Stunde ließ sich Mike Peters, Inhaber einer Personalleasing-Agentur, überreden, den für ihn bis dato fremden Club zu leiten. Er musste erst einmal eintreten.

Nach der insolvenzbedingten Zurückstufung in die Verbandsliga blieb den Fans nur noch die Erinnerung an die sportlichen Erfolge in der DDR-Oberliga. Doch auch die Meisterspieler haben ihren Club nicht vergessen. Zum Jahreswechsel kümmerte sich Torwartlegende Bodo Rudwaleit als Interimstrainer zusammen mit dem ehemaligen Meisterverteidiger Mario Maek um den verbliebenen Torso der Mannschaft. Bald stellte der neue Präsident erste Gläubiger zufrieden, eine Verbandsligamannschaft nahm Konturen an. Mit Dirk Vollmer wurde ein weiterer ehemaliger BFC-Spieler zum Trainer bestellt, Rudwaleit bekam des Posten des Assistenztrainers, wo er ein besonderes Auge haben wird auf seinen Sohn Robert, der im Mittelfeld spielt. Man kennt sich beim BFC.

Am Samstag bei der Begegnung gegen Fortuna Pankow versammelte sie sich wieder, die BFC-Gemeinde. Die Traditionsmannschaft aus Oberligazeiten bestritt ein Vorspiel gegen die IG-BFCer. Andreas Gläser schüttelte viele Hände, Mike Peters thronte im feinsten Tuch auf der Haupttribüne, Sven Wagner, Motor der Interessengemeinschaft, dozierte über das Leben als Anhänger eines verhassten Clubs. Auch Expräsi Andre Sommer wurde gesehen. 400 Zuschauer sahen ein gutes Spiel ihrer Mannschaft, die jedoch im Abschluss versagte. 0:0 hieß es nach 90 Minuten. Der BFC bleibt in damit in der erweiterten Tabellenspitze, womit die Verantwortlichen im Konsolidierungsjahr mehr als zufrieden sind. Es wird viel von Normalität gesprochen in Hohenschönhausen.

Wie viel Hass den BFC nach wie vor begleitet, werden die Hohenschönhauser in der kommenden Woche zu Gast beim SV Yesilyurt in Wedding erleben können. „Da werden sie wieder kommen“, prophezeit Fanzineliterat Gläser. Macht aber nichts: „Das gehört eben dazu.“ Auch IG-Mann Wagner kennt sein Umfeld, aber das stört ihn nicht: „Wir wollen den BFC retten, nicht verändern.“ Präsident Peters grinst: „Das ist doch eine Herausforderung.“ ANDREAS RÜTTENAUER

Andreas Gläser: „Der BFC ist schuld am Mauerbau. Ein stolzer Sohn des Proletariats erzählt“. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin, 220 Seiten, 7,50 €