Bachelor: Rektor führt Uni-Protest an
Hunderte Studierende folgten einer Einladung des Rektorats, um über die Probleme bei der Lehre zu diskutieren, wegen denen an anderen Unis gestreikt wird
In der Nacht hatten Studierende Parolen an die Wände des gerade renovierten Gebäudes GW2 gemalt. Und so sah es immerhin ein klein wenig nach Aufruhr aus, als sich gestern Morgen schätzungsweise 600 von ihnen auf den Haupttreppen des GW2 drängten.
Das Rektorat hatte zu einer "kritischen Bilanz" der Umstellung auf das zweistufige Bachelor/Master-System in den letzten Jahren geladen. Deutschlandweit besetzen Studierende in diesen Wochen Hörsäle, um gegen die drastische Verdichtung des Studiums durch dieses System zu protestieren. In Bremen blieb bisher alles erstaunlich ruhig.
Rektor Wilfried Müller forderte die Studienrenden gestern offensiv auf: "Nun ist Ihr Urteil gefragt, wir wollen wir jetzt von Ihnen die Probleme hören." Die gibt es zuhauf. Ein Mathematik-Student klagte darüber, dass jede Woche Tests geschrieben würden. "Und wer da nicht 60 Prozent richtig hat, der wird zur eigentlichen Prüfung gar nicht erst zugelassen." Ein anderer beschwerte sich: "Bachelor heißt, im Akkord vorgekautes auswendig lernen zu müssen. Das hat mit Lernen gar nichts mehr zu tun." Die Prüfungsdichte sei kaum zu bewältigen, "erst recht nicht, wenn man noch arbeiten muss" - um Geld zu verdienen.
Moderiert wurde die Diskussion von dem Betriebswirt Georg Müller-Christ, dem Konrektor für Lehre und Studium. Der entgegnete, man sei "bemüht, das Thema Prüfungen zu entzerren und auch in der vorlesungsfreien Zeit zu prüfen." Das hörten einige Studierende nicht gern: "Ich bin verpflichtet, soviele Praktika zu machen, dass ich jetzt schon während dessen noch Prüfungen habe. Das ist eine Zumutung," sagte einer. "Ich glaube, ich spreche hier für alle Studierenden, wenn ich sage, dass ich ab und zu ganz gerne mal Mittag essen würde", ergänzte eine andere. Kürzlich hatte das Rektorat die vorlesungsfreie Mittagspause abgeschafft - wegen der Raumnot an der Universität.
Die Konsequenzen der gestiegenen Belastung der Studierenden sind meßbar: Die Psychologisch-therapeutische Beratungsstelle an der Universität verzeichnete im letzten Jahr bei den Beratungen einen Anstieg von 23 Prozent gegenüber 2007. Als diese Zahlen vorgetragen wurden, sagte Müller-Christ, man wolle "gemeinsam daran arbeiten, eine gesunde Institution zu werden." Einige Studierende forderten von Müller gar, sie hochoffiziell "für politische Arbeit von Anforderungen zu befreien". Da fiel es ihm nicht schwer zu entgegnen, die Studierenden könnten "doch nicht erwarten, dass an einer Universität der Rektor alles allein entscheidet, das wäre ja grauenhaft." Die Dekane seien der Ansprechpartner. "Die sind bereit, über alles zu reden, dort müssen Sie sich einbringen." Er werde sich jedenfalls dafür einsetzen, "dass diese Freiräume geschaffen werden".
Ihnen jetzt zu sagen, sie sollten sich einbringen, sei "eine Frechheit, denn die Probleme wurden schon lange benannt," rief ein Student hinein. Und überhaupt sei das ganze Treffen undemokratisch. Wenn es Müller ernst sei, dann müsse der Akademische Senat reformiert werden - denn der fälle alle Entscheidungen, und dort hätten die Studierenden nur vier von 22 Sitzen. Solange sich daran nichts ändere, empfehle er seinen Kommilitonen, auch in Bremen zur Uni-Besetzung überzugehen: "Holt Eure Schlafsäcke!"
Dafür bekam er Beifall. Ebensoviel Beifall bekam dann Rektor Müller, der "noch vor Weihnachten" ein Treffen mit Studierenden und Dekanen aller Fachbereichen ankündigte, um über Verbesserungen zu beraten. Im Januar solle dies bei einem eintägigen "Semestergipfel" fortgesetzt werden. Schließlich soll eine einzusetzende Kommission strittigen Frage wie den beschränkten Zugang zum Masterstudium beraten.
"Wenn an einer Universität der Rektor alles entscheidet - das wäre ja grauenhaft." Uni-Rektor Müller
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