BaWü-Landtagspräsident in der Kritik: EnBW-Deal war verfassungswidrig
Der milliardenschwere Kauf von 45 Prozent des Energieversorgers EnBW durch die schwarz-gelbe Ex-Regierung Baden-Württembergs Ende 2010 war nicht rechtens.
STUTTGART taz | Die frühere schwarz-gelbe Landesregierung Baden-Württembergs hat mit ihrem EnBW-Deal gegen die Verfassung verstoßen. Das entschied der Staatsgerichtshof am Donnerstag in Stuttgart. Geklagt hatten die damaligen Oppositionsparteien SPD und Grüne, weil Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) das Milliardengeschäft am Landtag vorbei abgewickelt hatte. Darin sahen SPD und Grüne das Haushaltsrecht, das "Königsrecht" des Parlaments, verletzt.
Im Dezember vergangenen Jahres hatte der damalige Regierungschef Mappus überraschend verkündet, dass das Land die 45 Prozent der EnBW-Aktien zurückkaufen werde, die der französische Energiekonzern EdF vor zehn Jahren erworben hatte. Dafür zahlte das Land 4,67 Milliarden Euro.
Inhaltlich konnten SPD und Grüne den Deal damals zunächst nicht kritisieren, sehr wohl aber die Art und Weise. Mappus hatte das Geschäft ohne Zustimmung des Landtags gemacht. Dabei hatte sich die Landesregierung auf das Notbewilligungsrecht berufen, das eigentlich für Natur- oder ähnliche Katastrophen vorgesehen ist.
Rücktritt des Landtagspräsidenten gefordert
Das Urteil ist nur eine Feststellung, der Kauf an sich bleibt trotzdem bestehen. Allerdings könnten politische Konsequenzen folgen. Denn nun ist der Fall eingetreten, dass ausgerechnet der im Mai neu gewählte Landtagspräsident die Rechte des Parlaments missachtet hat. Der CDU-Mann Willi Stächele war im Kabinett von Mappus noch Finanzminister und spielte daher eine zentrale Rolle beim EnBW-Deal. Er war es, der auf Mappus Geheiß von dem Notbewilligungsrecht Gebrauch gemacht hatte.
Die parlamentarischen Geschäftsführer der SPD- und der Grünen-Fraktion forderten am Donnerstag umgehend den Rücktritt von Stächele. Dieser hatte bis zuletzt offengelassen, ob er sein Amt niederlegen würde, wenn das Gericht die Verfassungswidrigkeit feststellen würde. Auf einen Untersuchungsausschuss gegen Mappus hatten die Grünen kürzlich verzichtet – weil es offenbar keinerlei Akten von dem Vertragsabschluss mit der EdF gibt.
Peinlich ist das Urteil zudem für die renommierte Anwaltskanzlei Gleiss Lutz. Sie hatte Mappus in einem verfassungsrechtlichen Gutachten ein rechtmäßiges Handeln bescheinigt.
Finanzminister Nils Schmid (SPD) sieht mit dem Urteil die parlamentarische Demokratie gestärkt. "Das Haushaltsrecht des Parlaments ist ein hohes Gut, das nicht umgangen werden darf", sagte er.
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