BVG-Streik: Ver.di hat sich verfahren
Die Gewerkschaft ist mit ihrer Brachialtaktik gescheitert. Ab heute fahren Busse und Bahnen wieder, nur Werkstätten und Verwaltung der BVG werden bestreikt. Eine Lösung für den Tarifkonflikt ist nicht in Sicht.
Der Nahverkehr in Berlin rollt ab heute Morgen, 4 Uhr, wieder, wenn auch holprig. "Alle Bahnen und Busse fahren, allerdings nicht nach Fahrplan", sagte Petra Reetz, die Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), am Sonntag der taz. Die Kunden werden sich auch in den kommenden Tagen auf einen provisorischen Normalbetrieb einstellen müssen. "Wir werden weiterhin große Probleme haben", so Reetz.
Busse, U-Bahnen und Straßenbahnen sollen von heute an wieder auf allen Linien fahren. Weil in den Werkstätten, Teilen der Leitstelle und der Verwaltung weiter gestreikt wird, kann die reguläre Taktfrequenz jedoch nicht aufrecht gehalten werden.
U-Bahn: Statt des sonst in den Schulferien üblichen Taktes von fünf Minuten sollen die U-Bahnen alle zehn Minuten fahren. Von 150 U-Bahn-Zügen sind rund 100 im Einsatz.
Busse: Die Linienbusse sollen den Ferienplan fahren. Das heißt, sie fahren auf allen Linien, aber in größeren Zeitabständen. Allerdings rechnet die BVG mit Ausfällen einzelner Busse.
Straßenbahnen: Die Metro-Linien der Tram sollen "möglichst vollständig" gefahren werden. Sonst ist mindestens ein 20-Minuten-Takt geplant. ddp
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hatte am Wochenende bekannt gegeben, den Streik teilweise zu beenden. "Es war der Wunsch der Mehrheit unserer Mitglieder in der Tarifkommission, erst mal Luft zu holen und den Fahrdienst wieder aufzunehmen", berichtete Ver.di-Verhandlungsführer Frank Bäsler. Von den rund 12.000 Angestellten der BVG bleiben aber 5.000 im Ausstand, nämlich die Mitarbeiter in den Werkstätten und der Verwaltung. Das bedeutet, dass Rechnungen nicht bezahlt und Fahrzeuge nicht gewartet werden können.
Laut Bäsler ist dieser Zug von Ver.di kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Signal des guten Willens an die Fahrgäste. Das Entgegenkommen der Gewerkschaft ist dennoch weniger der Höflichkeit als der Hoffnungslosigkeit geschuldet: Die Gewerkschaft und der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV), der die BVG in den Tarifverhandlungen vertritt, hatten sich am Wochenende zu Gesprächen getroffen. "Die Arbeitgeber haben sich kein Stück bewegt", so Bäsler.
Daran dürfte sich in dieser Woche nichts ändern. Die Herren, die bei der landeseigenen BVG das letzte Wort haben, sind nicht vor Ort: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Finanzsenator Thilo Sarrazin (beide SPD) haben sich über Ostern aus Berlin abgemeldet.
So hebt Ver.di nach zwölf Tagen die längste Blockade des öffentlichen Nahverkehrs seit Bestehen der BVG auf, ohne selbst einen Schritt weitergekommen zu sein. Die Arbeitgeber bieten wie zu Beginn der Gespräche maximal 10 Millionen Euro pro Jahr für höhere Gehälter an. Diese Summe würde jedoch nicht einmal die Preissteigerungen der letzten Jahre ausgleichen, wenn sie auf alle 12.000 Beschäftigen zu gleichen Teilen verteilt würde, beschwert sich Bäsler.
Doch das ist nur eine theoretische Annahme. In der Praxis bestehen enorme Unterschiede zwischen den Gehältern der Mitarbeiter. Während ein langjähriger Busfahrer der BVG pro Monat 2.570 Euro brutto einfährt, startet ein neu eingestellter Mitarbeiter der BVG-Tochter Berlin Transport mit 1.650 Euro brutto.
Selbst Ver.di möchte die rund 1.000 Neubeschäftigten stärker an Einkommenserhöhungen teilhaben lassen und hat die Gesamtforderung mittlerweile auf 3 bis 9 Prozent mehr Gehalt reduziert. Man beharrt jedoch darauf, dass nicht nur die Neubeschäftigten profitieren sollen.
Genau das wollen die Arbeitgeber erreichen. Denn die Altbeschäftigten erhalten neben ihrem Grundgehalt noch eine sogenannte Sicherungszulage. Dieser Ausgleich für Lohneinbußen kostet die Verkehrsbetriebe jährlich 100 Millionen Euro und soll in den nächsten Jahren mit Gehaltserhöhungen verrechnet werden. Unter SPD und Linke herrscht Konsens, dass höhere Löhne für alle Mitarbeiter zu höheren Fahrpreisen führen. Das ist von Rot-Rot nicht gewünscht.
Angesichts des breiten Widerstands geht Ver.di von der Brachial- zur Nadelstichtaktik über. Auch durch den Streik in den Werkstätten drohen Ausfälle. Die Bremsanlagen der Trams etwa müssen regelmäßig mit feinem Quarzsand gefüllt werden, da sonst die Räder keinen Halt finden. Geschieht das nicht, kann die Bahn nicht fahren, obwohl das Fahrpersonal bereitstünde.
Gleichzeitig hofft die Gewerkschaft auf Verstärkung und schielt auf die bundesweiten Schlichtungsgespräche für den öffentlichen Dienst. Die letzte Verhandlungsrunde am 26. März droht zu scheitern. Im Falle einer erfolgreichen Urabstimmung würden in Berlin die Wasserwerke und die Müllabfuhr bestreikt. "Es ist kein Geheimnis, dass wir uns mit den Kollegen zusammentun würden", warnt Bäsler.
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