BUNDESGELDER NICHT NUR FÜR DEN OSTEN, SONDERN AUCH FÜR OSTFIRMEN: Elegante Flutfinanzierung
Die Maschinerie der Bundesregierung hat wieder Schwung aufgenommen. Vergessen das zerknirschte Gesicht des Kanzlers angesichts vier Millionen Arbeitsloser. Auch die erste Welle der Kritik am Maßnahmenpaket von Rot-Grün ist bereits überstanden, es bleibt dabei: Die Steuerreform wird verschoben und Mittel innerhalb des Bundesverkehrsministeriums werden umgeleitet, um die Flutschäden schnell zu beheben. Das Wasser ist erst halb die Elbe hinunter, und schon sind acht Milliarden Euro herbeigezaubert. Von der ebenfalls ausgesprochenen Haushaltssperre und etwaigen EU-Milliarden ganz zu schweigen. Da soll noch einer meckern, von dieser Regierung würde nicht angepackt, was anzupacken ist.
Weil die Steuergesetzgebung in diesem Fall der Zustimmung durch die Länder bedarf, trifft dieser Befreiungsschlag die Union gleich zweimal. Nicht nur dass die Bundesregierung schnell die Initiative ergreift und so weiter das Spiel bestimmt. Auch kann die Unionsmehrheit im Bundesrat nun nur noch Fehler machen: Stimmt sie zu, gibt sie der Regierung ihren Segen – unerhört in Wahlkampfzeiten. Lehnt sie aber ab, verhindert sie sinnvolle Möglichkeiten zur Hilfe für die Flutopfer – unvorstellbar in Notzeiten. Die Kritik von Edmund Stoiber und Angela Merkel, dass körperschaftsteuerpflichtige Unternehmen unberücksichtigt blieben, wirkt dabei wie die Suche nach dem Haar in der Suppe. Diese Runde geht an Gerhard Schröder.
Kommt noch hinzu, dass der Aufschub der Steuerreform auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Gewiss, die Regierung verspielt so kurz vor der Wahl noch ein Stück Glaubwürdigkeit: Viele Unternehmen haben die geringeren Steuerausgaben bereits in ihre Geschäftsprognosen eingerechnet. Nun steigen ihre Kosten für 2003. Das wird ihre Möglichkeiten einschränken, zu investieren, ihre Produktion auszuweiten und vielleicht sogar den einen oder anderen neuen Mitarbeiter einzustellen.
Der Vorschlag ist aber gut, weil alle Alternativen schlechter wären. Höhere Schulden in Milliardenhöhe würden Deutschland Ärger mit der EU in Brüssel einhandeln. Deutschland hat sich in vorderster Front den strengen Stabilitätskriterien der Euroländer verpflichtet und muss seine Neuverschuldung nun unter drei Prozent halten. Weitere Haushaltskürzungen, etwa im Baubereich, wären fatal für die schwache Konjunktur.
Und der Vorschlag ist auch deshalb gut, weil er der Wirtschaft in Ostdeutschland helfen kann – vorausgesetzt, nicht alle Aufträge gehen an die großen westdeutschen Baukonzerne. Sieben Milliarden Euro werden ausschließlich in den Flutgebieten ausgegeben – ein sinnvolles Konjunkturprogramm. KATHARINA KOUFEN, REINER METZGER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen