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BSW und Parteienrecht„Ein autoritäres Projekt“

Parteienrechtlerin Sophie Schönberger hat sich das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ genauer angesehen. Sie kritisiert die Parteistrukturen, vor allem die zentralisierte Mitgliederaufnahme.

„Big sister is watching you“: Sahra Wagenknecht, Bundesvorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Am Sonntag kommt das Bündnis Sahra Wagenknecht in Bonn zu seinem zweiten Bundesparteitag zusammen. Rund ein Jahr nach seiner Gründung sind zwar die ganz großen Höhenflüge vorbei, aber die Partei hat immer noch gute Chancen, in den Bundestag einzuziehen. Neben der russlandfreundlichen Ausrichtung kommen zunehmends auch die eigenwilligen internen Strukturen ins Blickfeld von Kritiker:innen.

Deutschlands führende Parteienrechtlerin, die Rechtsprofessorin Sophie Schönberger von der Uni Düsseldorf, hat sich Satzung und Aufbau des BSW genauer angeschaut und in einem 22-seitigen Papier ihre Schlussfolgerungen veröffentlicht. „There's a new Kid in Town“, heißt die Studie und beschreibt das Bündnis Sahra Wagenknecht als „Herausforderung für das Parteienrecht“. Die Vorgaben von Grundgesetz und Parteiengesetz würden teilweise gedehnt, teilweise klar überschritten, warnt Schönberger. Das BSW sei ein „autoritäres Projekt“.

Zentraler Kritikpunkt ist die zentralisierte Aufnahme neuer BSW-Mitglieder. Während bei der CDU der Kreisvorstand über einen Aufnahmeantrag entscheidet und bei der SPD der Vorstand des Ortsverbands, ist es beim BSW immer der Bundesvorstand. Die Landesverbände haben nicht einmal ein Vetorecht gegen die Mitglieder, die der Bundesvorstand aufnimmt. Begründung der Partei: man strebe ein „kontrolliertes Wachstum“ an. Neue Mitglieder sollen genau geprüft werden, „um das Projekt nicht zu gefährden“.

Extrembeispiele im Ausland sind die linke französische Partei La France insoumise von Jean-Luc Mélenchon, die nur drei Mitglieder hat, und die rechte niederländische Freiheitspartei mit nur einem Mitglied, dem Vorsitzenden Geert Wilders. Davon ist das BSW bereits weit entfernt, man hat inzwischen deutlich mehr als tausend Mitglieder bundesweit. Allerdings haben tausende weitere Personen einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt. Schon nach der Gründung vor einem Jahr lagen 8.000 Anträge vor.

Weil die BSW-Landesverbände keine „Personalhoheit“ haben, stellt Schönberger in Frage, ob es sich dabei überhaupt um echte Gliederungen im Sinne des Parteiengesetzes handelt. Denn laut Gesetz müssen Parteien in Deutschland Untergliederungen haben, also zum Beispiel Landes- und Kreisverbände, damit sich das einzelne Mitglied gut einbringen kann.

Grundgesetz macht Vorgaben

Im Grundgesetz heißt es ausdrücklich über die Parteien: „Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen.“ Beim BSW sieht Schönberger diesen gegliederten Aufbau von unten nach oben nicht verwirklicht. Die „Binnenorganisation des BSW“ verstoße gegen die Regeln des Parteienrechts.

Wie praktisch relevant dies ist, zeigte sich im Herbst im BSW-Landesverband Thüringen. Die pragmatische Landesvorsitzende Katja Wolf strebte eine Koalition mit CDU und SPD an, die BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht war jedoch skeptisch. In der heißen Phase wurde plötzlich bekannt, dass der BSW-Bundesvorstand zwei Dutzend neue Mitglieder in den Landesverband Thüringen aufgenommen hat. Schnell kam der Verdacht auf, dass Wagenknecht so den Landesverband auf Linie bringen wollte. Der Konflikt löste sich dann aber auf, weil letztlich auch Wagenknecht für die Zustimmung zum Thüringer Koalitionsvertrag plädierte.

Die bewusst niedrige BSW-Mitgliederzahl wird auch für Probleme bei der Parteienfinanzierung sorgen, so die Prognose Schönbergers. Damit die Parteien nicht abhängig von staatlichen Zuschüssen werden, sind diese nämlich gedeckelt. Eine Partei soll nicht mehr Staatsfinanzierung erhalten als sie eigene Einnahmen hat. So soll die Verankerung der Parteien in der Bevölkerung gesichert werden. Beim BSW sieht Sophie Schönberger dies aber nicht gewährleistet. Da die Partei bewusst wenige Mitglieder und damit auch wenig Mitgliedsbeiträge hat, seien Großspender um so wichtiger für die eigenen Einnahmen.

BSW an BSW

Tatsächlich hat im Jahr 2024 keine Partei mehr Großspenden (über 35.000 Euro) erhalten als das BSW, teilte jüngst der Bundestag mit. Insbesondere der Unternehmer Thomas Stanger mit seiner Frau Lotte Salingré haben das BSW unterstützt – mit insgesamt rund fünf Millionen Euro.

Ein weiterer Großspender für die Partei BSW ist der Verein BSW, der zur Vorbereitung der Parteigründung geschaffen worden war und weiterhin besteht. Im Jahr 2024 hat er laut Bundestag mehr als 1,2 Millionen Euro an die Partei überwiesen. Im Spendenbericht werden aber nicht die konkreten Einzelspender ausgewiesen, sondern nur der Verein. Schönberger fragt, ob er hier als „Strohmann“ für die „wirklichen Spender“ wirke. „Wer hinter diesem Betrag steht, d.h. woher der Verein das Geld, das ja von vornherein für die Partei bestimmt war, erhalten hat, ist bisher in keiner Weise transparent“.

Schönberger regt aus all diesen Gründen an, das Parteiengesetz mit Blick auf das BSW „auf den kritischen Prüfstand zu stellen“.

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2 Kommentare

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  • Sarah ist in der Tiefe ihres Herzens Stalinistin und da ist man eben ein extremer Kontrollfreak. Erstaunlich nur, dass das die Antragssteller nicht realisieren.

  • Man könnte sich ja mal einen Begriff wie "politisches Unternehmertum" auf der Zunge zergehen lassen. Und sich fragen, ob Grundsätze des Einzelunternehmens, wie Direktionsmacht oder zentrale Personalbeschaffung besser auf das BSW passen als die einer Partei. "Politisches Unternehmertum" als Abgrenzung zum wirtschaftlichen, wo der Unternehmer überwiegend auf monetären Gewinn aus ist und deutlich weniger Wert auf politischen Einfluß legt.

    Von privaten Einzelinteressen bestimmte politische Einflußnahme muß im Kern nun nicht nur mit den in Deutschland bislang üblichen Parteistrukturen kollidieren, soll sie zuverlässig und ungestört zum Tragen kommen, sondern auch mit dem Begriff der Gemeinnützigkeit, aus dem sich für Geldgeber sowie "Körperschaft" steuerliche Vorteile ergeben. Ein politischer Unternehmer sollte nicht steuerfrei Vermögen von Dritten erzielen - so wie man auch in der Wirtschaft auf Geschenke Ertragssteuern zahlt, sobald die Freigrenzen überschritten werden. Die Veranlagung zur Körperschafts- bzw. Einkommensteuer wäre unabdingbar, für eine Befreiung von der Gewerbesteuer sähe ich keinen Anlaß. Für die Umsatzsteuer schon, soweit es an einem Leistungsaustausch mangelt.