: BRD-Innenminister als DDR-Hilfstruppe
■ Innenministerkonferenz beschließt Hilfsmaßnahmen für DDR
Berlin (taz) - Ein „historisches Ereignis“, „null Meinungsunterschiede“ und „Gespräche, die uns tief bewegt haben“. Im Anschluß an die Sondersitzung der Innenministerkonferenz (IMK) in Ost-Berlin kamen die Ressortleiter aus der Bundesrepublik richtig ins Schwärmen. Am Wochenende sei deutlich geworden, „daß wir vor einer großen geschichtlichen Herausforderung stehen“, resümierte zum Beispiel der IMK-Vorsitzende und baden-württembergische Innenminister Dietmar Schlee (CDU). Sein Ressort-Kollege aus der DDR wollte im Loben nicht zurückstehen. Hart und konstruktiv hätte man gearbeitet - dazwischen sei aber auch schon mal gelacht worden: „Wir sprechen dieselbe Sprache“, konnte Innenminister Peter-Michael Diestel (DSU) feststellen, und in sachlichen und fachlichen Fragen sei ein „hohes Maß an Übereinstimmung erzielt worden, die mich überrascht hat“.
Eine „breite Palette von konkreten Hilfs- und Beratungsangeboten“ wurde zwischen den BRD-Ministern und ihrem DDR-Kollegen vereinbart, die den Weg zu einer intensiven Zusammenarbeit auf dem Gebieten der inneren Sicherheit, des Rettungswesens und des Katastrophenschutzes eröffnen sollen. Zweiter Schwerpunkt der Tagung waren „Angebote“ an die DDR, die den Transfer westdeutschen Know -hows zum Aufbau einer föderalen Struktur sicherstellen sollen.
Im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit wurde die Bildung einer deutsch-deutschen Arbeitsgruppe vereinbart, der auf seiten der IMK die Länder Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, das Saarland und Schleswig-Holstein angehören sollen. Bayern und Berlin sollen darüber hinaus an Arbeitsgruppen, die von Bundesminister Schäuble und DDR -Innenminister Diestel zu Fragen des Grenzabbaus und der Terrorismusbekämpfung abgesprochen wurden, beteiligt werden. Als konkrete Maßnahmen wurde vorgeschlagen, daß sich beispielsweise DDR-Beamte schon in den nächsten zwei Wochen an Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen in Baden -Württemberg beteiligen können. Im Bereich der Ausstattung der DDR-Polizei ist unter anderem daran gedacht, in etwa drei bis vier Wochen die ersten BRD-Polizeiautos zum Streifendienst in der DDR abzustellten. Zum Grenzabbau erklärte der Bonner Staatssekretär Hans Neusel, er habe bereits beim DDR-Minister Eppelmann (Abrüstung und Verteidigung) für eine „kurzfristige Übernahme“ der DDR -Grenztruppen in sein Ressort plädiert.
Innenminister Diestel rechnet nach einem in der 'Bunten‘ veröffentlichten Interview künftig auch mit einem Anwachsen der Gewaltbereitschaft, des Extremismus und mit Krawallen in der DDR. Dies sei die Folge des zerütteten Wirtschafts- und Gesellschaftssystems der DDR. Auf den Extremismus angesprochen, erklärt der hessische Innenminister Gottfried Milde, dieser könne mit den „bewährten rechtsstaatlichen Methoden“ der Bundesrepublik bekämpft werden.
Wolfgang Gast
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