: BLG sticht alle Hochstapler aus
■ BLG baut und betreibt für Tchibo im Neustädter Hafen ein High-Tech-Lager. 200 neue Stellen sollen entstehen
Wann immer die Bremischen Häfen in den letzten Jahren neue Rekorde meldeten, gab es ein Sorgenkind: Den Neustädter Hafen, vom stagnierenden Stück- und Massengutumschlag gebeutelt. Das wird sich in Kürze ändern. Gestern gab die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft (BLG) ihren neuesten Deal bekannt: Für Tchibo wird sie ein neues Hochregallager bauen und betreiben. Der Kaffeekonzern macht längst mehr Umsatz mit „Gebrauchsartikeln“ als mit Kaffee: Wecker, Regenschirme, Winterkleidung, Bohrschrauber, Modeschmuck – „Gibt's nicht“ gibt's nicht für die Einzelhändler mit dem bundesweiten Filialnetz. Nur eben nicht alles zur selben Zeit. Und da liegt das Problem: Die Waren, vor allem in Ostasien billig gefertigt, müssen stoßweise in kürzester Zeit quer durch die Republik und bis nach Österreich und in die Schweiz verteilt werden.
Für Tchibo ein Grund, das neue Logistik-Zentrum in Bremen anzusiedeln: Kein anderer Standort konnte entsprechend günstige An- und Abfahrtswege bieten. Die Container aus Asien, mit kleinen Schiffen von Bremerhaven weseraufwärts geschippert, erreichen das Lager, ohne eine öffentliche Straße zu passieren – also garantiert staufrei. Den reibungslosen Abfluss der Waren soll der Bahnanschluss des Geländes garantieren – jedenfalls erstmal. Zwar will der Konzern „am liebsten alles“ mit der Bahn transportieren, wie Vorstand Rainer Kutzner gestern in Bremen sagte. Dennoch sei für die Entscheidung für Bremen auch der geplante Ausbau der A281 ausschlaggebend gewesen, für die das Tchibo-Lager eine eigene Auffahrt bekommen soll. Nach der Fertigstellung 2009 könnten die Transport-Karten also neu gemischt werden. Der besondere Trumpf der Neustadt war indes, dass Tchibo über das „Fulfilment-Center“ der Deutschen Post seinen gesamten Katalog- und Internet-Bestellservice abwickelt. Und das liegt am Güterverkehrszentrum, nur einen Steinwurf vom neuen Warenlager entfernt.
Die BLG hat mit ihrem Komplettangebot neun Konkurrenten aus dem In- und Ausland ausgestochen, darunter den Erzrivalen Hamburger Hafen- und Lagerhaus Aktiengesellschaft (HHLA) – zur großen Freude von BLG-Chef Detthold Aden, der den Ex-Staatsmonopolisten damit auf gutem Weg „vom traditionellen Hafendienstleister zum internationalen Logistik-Provider“ sieht. Die BLG wird für 60 Millionen Euro eine hochtechnisierte Lagerhalle bauen, in der auf 45.000 Quadratmetern in 15 Ebenen rund 180.000 Europaletten Platz finden sollen. Tchibo ist nur Kunde, kann seinen Vertrag nach fünf Jahren kündigen. Die Anlage soll schon im Jahr 2003 in Betrieb gehen. Schon für das erste Jahr peilt die BLG einen Jahresumsatz von 12 Millionen Euro an. Laut Aden werden trotz des hohen Automatisierungsgrades rund 200 neue Arbeitsplätze entstehen. Tchibo betonte, das Lager werde durch „vergangenes und künftiges Wachstum“ ausgelastet. Das Lager des geschluckten Ex-Konkurrenten Eduscho im Europahafen soll ebenso erhalten bleiben wie eine weitere Anlage in Mecklenburg. Lediglich kleinere angemietete Lagerflächen, zum Teil auch in Bremen, würden gekündigt. Über eventuelle Entlassungen konnte Kutzner nichts sagen: „Das betrifft ja Speditionen, bei denen wir nur Kunden sind.“ Dafür freute er sich über die Umweltfolgen der Zentralisierung: „Das wird unsere Ökobilanz verbessern, weil unnötige Transporte wegfallen.“ Jan Kahlcke
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