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BKA fahndet in Spanien nach der RAF-Geschichte

■ Monzer Al Kassar soll Informationen über die Landshut-Entführung haben

Am 17. August 1984 feuerte in der Madrider Innenstadt der Sozius eines Motorradfahrers beim Überholen aus einer Maschinenpistole auf den Insassen eines Mercedes: Zaki el-Helou, damals militärischer Ausbildungschef und „Spanienbeauftragter“ der PFLP-SC. Zaki galt als einer der engsten Freunde von Monzer Al Kassar. Über das Gespann Monzer – Zaki führt eine Spur zu einer bis heute geheimnisumwitterten deutschen Frau: der Frankfurterin Monika Haas, vormals Ehefrau des PFLP- SC-Funktionärs Zaki. Obwohl unter ihrem Kriegsnamen „Amal“ angeblich in Terroranschläge persönlich verwickelt, lebte sie bis letztes Jahr unbehelligt in Frankfurt. Angesichts der Terrorismus- Phobie deutscher Strafverfolgungsbehörden ein Kuriosum, das Insider damit erklären, die Frau sei in Wahrheit als Maulwurf westlicher Geheimdienste in die internationale Terrorszene eingeschleust gewesen. Davon war jedenfalls die Hauptabteilung XXII (Terrorabwehr) des Ministeriums für Staatssicherheit überzeugt.

Ihre Basen hatte die PFLP-SC, unter Führung des Kinderarztes Wadi Haddad in der Demokratischen Volksrepublik Jemen. Deren Hauptstadt Aden galt seinerzeit als Sammelbecken und Drehscheibe für Terroristen-Kommandos aus aller Welt. Nach Aden unterhielt auch der PFLP-Waffenlieferant Monzer Al Kassar beste Kontakte. Und auch die Stasi war in Aden besonders stark vertreten. Denn Mielkes Schlapphüte hatten den dortigen Geheimdienst aufgebaut und voll unter Kontrolle. In Aden geriet auch Monika Haas ins Visier der DDR-Kundschafter, die sich im Mai 1975 vor einem – später eingestellten – Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft nach Aden in Sicherheit gebracht haben und – laut Stasi – dort eine „Guerillaausbildung“ absolviert haben soll.

Ihre Hintermänner wähnten Mielkes Agenten allerdings schon früh auf der Gegenseite: „Verdacht auf Verrat aus dem Bereich der PLO und PFLP“ witterten die Verfasser eines „Operativvorgangs Wolf“ und machten in Frau Haas gar eine „vermutliche Quelle eines BRD-GD“ aus.“ (GD = Geheimdienst) Als Haas-Ehemann Zaki erwog, sich samt Familie in Sofia (wo er zusammen mit der Firma Kintex Waffengeschäfte betrieb) niederzulassen, lehnten die bulgarischen Behörden ab. Sie waren „von arabischen Verbindungspersonen darüber informiert worden, daß seine Ehefrau im Verdacht steht, für den Bundesnachrichtendienst der BRD zu arbeiten.“

Im Januar 1976 scheiterte auf dem Flughafen der kenianischen Hauptstadt Nairobi der geplante Anschlag eines gemischten deutsch-palästinensischen Kommandos auf ein israelisches Verkehrsflugzeug. Die Deutschen Brigitte Schulz und Thomas Reuter wurden gefaßt und in einem Geheimprozeß in Israel zu 10 Jahren Haft in einem Militärgefängnis verurteilt. Kurz geriet auch Monika Haas in Nairobi in die Fänge des Mossad, als sie dorthin nachgereist war, um das Schicksal ihrer deutschen Gefährten aufzuklären. Doch im Gegensatz zu jenen ließen die Israelis Frau Haas nach wenigen Wochen wieder frei. Sie habe sich nur zum Schein auf ein Kooperations-Angebot des Mossad eingelassen, erklärte sie nach ihrer Rückkehr den Kampfgenossen in Aden als Erklärung für ihre Freilassung.

Die Stasi jedenfalls sah in Frau Haas laut „OV Wolf“ einen „Ausgangspunkt für gegnerische Aktivitäten und Fahndungsmaßnahmen“. Und aus einem anderen Stasi-Dossier, dem „OV Golf“, geht hervor, daß ihre arabischen Kampfgefährten sie zuletzt sicher für eine feindliche Agentin hielten. Laut „OV Golf“ bereitete die PFLP-SC seit Mitte 1988 sogar die Ermordung von Monika Haas in Deutschland vor. „Der Klärungsprozeß“, so die Stasi, sei „innerhalb der Gruppe so weit fortgeschritten, daß die Liquidierung der Haas als Agentin eines bundesdeutschen Geheimdienstes beschlossen wurde. Die Gruppe ist informiert, daß die Haas gegenwärtig in der BRD lebt.“ Zunächst wurde offenbar erwogen, Monika Haas in Algier zu ermorden, wo sie regelmäßig ihren Ehemann Zaki besuchte. Von diesem Plan sei man aber wieder abgekommen, um die Beziehungen zu Algerien nicht zu gefährden, heißt es in einem Stasi- Vermerk vom Oktober 1988. „Ein Kommando der Gruppe in unbekannter Stärke“ halte sich bereits in der BRD auf, wo sie als „Revanche gegen den BRD-Geheimdienst“ ermordet werden sollte. Auch ein Haus „zur Durchführung von Verhören der Haas“, so die Stasi-Erkenntnisse damals, sei bereits angemietet. Offenbar war vorgesehen, „die Liquidierung bis zum 17. September, dem Gedenktag an die Massaker in den Flüchtlingslagern Sabra und Shatila, zu realisieren“. Doch die Killer kannten nicht den genauen Aufenthaltsort von Monika Haas. Daher soll die Gruppe „Vertreter der japanischen Roten Armee mit der Ermittlung des genauen Aufenthaltsortes der Haas beauftragt haben“, notierte die Stasi im Juni 1989, wenige Monate vor der Wende.

Die Stasi selbst wußte zu diesem Zeitpunkt längst, wo Monika Haas genau lebte. Sie hatte in Frankfurt eine orts- und szenekundige Inoffizielle Mitarbeiterin mit dem Decknamen „Beate Schäfer“ mobilisiert. Hinter IM Beate Schäfer verbarg sich die mittlerweile verstorbene grüne Europa-Abgeordnete Brigitte Heinrich.

Definitive Beweise für eine geheimdienstliche Tätigkeit von Frau Haas, die wiederholt gegen entsprechende Medienberichte gerichtlich vorging, gibt es bis heute nicht. Doch wie erklärt sich das Desinteresse des westdeutschen Fahndungsapparates gegenüber der geheimnisumwitterten Frankfurterin? 1977 etwa reist die zwei Jahre zuvor nach Aden Abgetauchte unbehelligt in die BRD, um ihren Sohn zu holen. Die Seriennummer ihres gefälschten peruanischen Passes war dem BKA bekannt, wunderte sich die Stasi. Im Juni 1976 war Rolf Pohle mit einem Paß derselben Serie verhaftet worden. Drei Jahre nach Mogadischu kehrte Monika Haas in die Bundesrepublik zurück, ohne Probleme zu bekommen.

Das änderte sich erst, als im letzten Jahr die Stasi-Akte „OV- Wolf“ bekannt wurde. Die Bundesanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein, und Monika Haas wurde über mehrere Monate in U-Haft gesteckt.

Der Hauptvorwurf, dessen Überprüfung auch die Reise des BKA zu Monza al Kassars gilt, ergibt sich aus der Rolle, die sie im Vorfeld der Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut im Herbst 1977 gehabt haben soll. Das Kommando, das im Verlauf der Aktion den Lufthansa-Piloten Jürgen Schumann erschoß, stammte aus den Reihen der PFLP-SC. Hartnäckig halten sich Gerüchte, wonach Monika Haas die Waffen und den Sprengstoff für die Aktion nach Mallorca geschafft haben soll, wo das Terror-Team an Bord ging. Diese Version notierte auch die Stasi aufgrund einer „inoffiziellen“ Quelle, die sich wiederum auf „eigene Angaben“ von Frau Haas berufen hatte. Verschiedentlich haben Zeitungsartikel auch schon Monzer Al Kassar mit der Beschaffung der Waffen für das Landshut-Kommando in Verbindung gebracht. Schließlich wirft ihm die spanische Justiz vor, die Kalaschnikows für eine andere spektakuläre Terror-Aktion, nämlich die Entführung der Achille Lauro, besorgt zu haben.

Angeblich kam das BKA-Team jetzt mit neuen Erkentnissen aus Spanien zurück. Erstmals soll Monzer Al Kassar Fragen zu dem Komplex PFLP-SC und deren Verhältnis zur RAF beantwortet haben.

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