BKA-Novelle weitet Abhörrechte aus: Schäubles Versprechen war wertlos
Das Bundeskriminalamt dürfe Abgeordnete, Verteidiger und Geistliche nicht präventiv abhören, versicherte der Innenminister bisher. Eine neue Version der geplanten BKA-Novelle nimmt den Schutz fast völlig zurück.
Das Bundeskriminalamt soll künftig auch Abgeordnete, Strafverteidiger und Geistliche präventiv abhören können. Dies sieht ein neuer Entwurf für die BKA-Novelle von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble vor, der der taz vorliegt. Eingefügt wurde ein Passus, wonach der bislang vorgesehene Abhörschutz entfällt, "soweit die Maßnahme zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist".
Mit der seit Monaten diskutierten Ergänzung des BKA-Gesetzes soll das Bundeskriminalamt erstmals Befugnisse zur Gefahrenabwehr erhalten. Diese sind auf den Bereich des "internationalen Terrorismus" beschränkt. Bislang ist das BKA nur für die Aufklärung bereits begangener Terrortaten zuständig sowie zur kriminaltechnischen Unterstützung der Länderpolizeien. Die Gefahrenabwehr war bisher Landessache.
Dass das BKA neue Befugnisse bekommen soll, ist in der großen Koalition nicht umstritten. 2006 wurde im Rahmen der Föderalismusreform sogar das Grundgesetz geändert. Für Streit sorgte bisher aber vor allem die Frage, ob das BKA auch heimlich Computer ausspähen darf. Die SPD will erst abwarten, ob und unter welchen Bedingungen das Bundesverfassungsgericht solche Online-Durchsuchungen für zulässig hält. Schäuble wiederum will den Gesetzentwurf ohne Online-Durchsuchung nicht ins Kabinett einbringen.
Jetzt hat Schäuble den Referentenentwurf aber auf ganz erstaunliche Weise "nachgebessert". In der jüngsten Fassung vom 6. Dezember findet sich plötzlich in Paragraf 20 u ein neuer Absatz 4, der den bisher für bestimmte Berufsgruppen vorgesehenen Schutz weitgehend wieder zurücknimmt. Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD, zeigte sich auf Nachfrage von dieser Änderung völlig überrascht.
Bisher war im Gesetzentwurf vorgesehen, dass das BKA die Telefone und Räume von Abgeordneten, Pfarrern und Strafverteidigern generell nicht abhören darf. Auch eine Online-Durchsuchung wäre, falls sie eingeführt wird, bei diesen im Grundgesetz besonders geschützten Berufsgruppen tabu gewesen. Erkenntnisse über solche Berufsgeheimnisträger hätten, wenn sie zum Beispiel bei der Überwachung anderer Personen angefallen wären, sofort gelöscht werden müssen. Für sonstige Rechtsanwälte sowie für Ärzte, Journalisten und Drogenberater wäre zwar kein absoluter Schutz, aber immerhin eine besonders intensive Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgesehen gewesen, wie in der Strafprozessordnung auch.
Das alles soll jetzt nicht mehr gelten, wenn die Überwachung "zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person" erforderlich ist. Die Einschränkung ist minimal, denn die neuen Befugnisse im BKA-Gesetz dienen ja gerade der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus, der üblicherweise "Leib, Leben oder Freiheit" bedroht. Faktisch würde der Schutz der Berufsgeheimnisträger hier fast in vollem Umfang wieder zurückgenommen. Es wäre wohl ehrlicher, gleich auf eine solche Schutzklausel zu verzichten, wie es in vielen Landespolizeigesetzen zum präventiven Lauschangriff der Fall ist.
Überarbeitet wurden im BKA-Gesetzentwurf auch die Bestimmungen zum Bund-Länder-Verhältnis. Das BKA darf demnach weiter präventive Terror-Ermittlungen einfach an sich ziehen, muss nun aber "unverzüglich" die Länder benachrichtigen. Diese dürften dazu Stellung nehmen, ein Vetorecht bekämen sie nicht: Schäubles Entwurf sieht kein "Einvernehmen", nur ein "Benehmen" vor. Ob das den Ländern ausreicht, die im Herbst laut moserten, ist zweifelhaft.
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