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BKA-Mann und KinderpornografieHerr Ziercke unter Druck

Sebastian Edathy war nicht der einzige prominentere Kunde des Bilderversands aus Übersee. Die Ermittler entdeckten auch einen eigenen Kollegen.

Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden. Bild: dpa

BERLIN taz | Diesmal arbeitete das Bundeskriminalamt zügig. Als man den Namen eines Kollegen auf der Kundenliste von AzovFilms in Toronto fand, übergab man den Fall Anfang 2012 der Staatsanwaltschaft Mainz. Der Spitzenbeamte hatte kinderpornografisches Material gekauft. Anders aber als bei dem SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy war das bei dem BKA-Mann sichergestellte Material „unzweifelhaft illegal und strafrechtlich relevant“, berichtet Spiegel Online. Um einen Prozess zu vermeiden, habe der BKA-Mann Ende 2012 einen Strafbefehl akzeptiert. Ein Jahr darauf, Ende 2013, sei er in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Ein diskreter Abgang eines Täters.

Seit die Geschichte am Freitagabend bekannt wurde, steht BKA-Chef Jörg Ziercke unter erheblichem Druck. Warum, fragt die Opposition, wird es nicht öffentlich, wenn sich ein BKA-Mann strafrechtlich schuldig macht, während Sebastian Edathys Ankauf von – bislang nicht strafrechtlich relevantem – Material an die Öffentlichkeit gelangt? Hat die Behörde den Fall Edathy gezielt verschleppt? Ziercke verteidigte sich, seine Behörde habe sich „einwandfrei und rechtsstaatlich auch in Anbetracht der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen“ verhalten, er habe immer „offen und klar gesagt, wie der Gang der Dinge“

Linken und Grünen reicht das nicht. Die Grünen fordern Zierckes Rücktritt. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi erklärte, man werde gemeinsam mit den Grünen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss fordern. Sein Fraktionsvize Jan Korte sagte gegenüber der taz, man werde am Montagmorgen eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragen. Die ganze Affäre, so Korte, nehme „obskure Züge“ an. Jetzt sei nicht mehr nur BKA-Chef Ziercke gefragt, sondern auch die zuständigen Abteilungsleiter. „Für uns ist die zentrale Frage: Waren das Bundesinnenministerium und das Kanzleramt informiert?“

Auch in der Union wächst der Unmut. Der Vorsitzende des Innenausschusses, CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, kritisierte den BKA-Chef scharf. Ziercke hätte bei seiner Aussgage vor dem Innenausschuss vor anderthalb Wochen „nicht nur sagen können, er hätte uns auch sagen müssen, dass ein leitender Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes selber betroffen war“.

Rückendeckung erhält Jörg Ziercke hingegen aus der Bundesregierung. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte im Deutschlandfunk, er habe „keinen Grund, an der Aussage von Herrn Ziercke zu zweifeln“. Und Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte der Welt am Sonntag, er habe großes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden; durch bloße Spekulationen lasse sich das nicht erschüttern. Fraglich, ob das weiter so bleibt.

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4 Kommentare

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  • Harry Mulisch

     

    Die Entdeckung des Himmels

     

    " das Chaos hinter der Chinesischen Mauer

    ist mindestens so groß,

    wie das vor der Chinesischen Mauer..."

     

    J.Edgar Hoover,FBI, lief ja auch

    privat im Tütü rum;

     

    und was so alles aus den AsservatenKammern

    verschwindet - oder erst gar nicht dort landet;

    man müßte glatt mal die Polizei einschalten;-))

    und unter den Hauptabnehmern für Gras-Utensilien

    fand sich ein Richter aus dem Westfälischen;

    ok - für Apothekenrecht zuständig;

  • C
    Celsus

    Bald ein Jahr braucht es, bis Vorfälle mit strafrechtlicher Relevanz überhaupt ausgewertet sind und dann nach Lust udn Laune und Willkür des BKA mal leise und heimlich bei Schuldigen und äußerst lautstark bei "leider nicht Schuldigen" vorangetrieben werden? Ob das der BKA-Chef war oder vielmehr der damalige CSU-Innenminster, wäre noch aufzuklären. Ohnehin ist der BKA-Mann doch Jahrgang 1947 - oder? Ein Sündenbock kurz vor der Rente?

  • Es gibt eben nix, was es nicht gibt. Der Handel mit Kinderpornographie im Internet ist ohne die Billigung und Beteiligung hochrangiger Behörden nur schwer vorstellbar. Schon vor Jahren kamen Untersuchungen von Informatikstudenten, die zahlreiche IP-Adressen von einschlägigen Servern ermittelten und veröffentlichten, zu genau diesem Ergebnis. Man konnte u.a. einen Server in St. Petersburg exakt bis zur Straße und Hausnummer nachverfolgen. Der Betreiber war ganz offiziell angemeldet, existierte aber gar nicht.

  • EM
    Emil Müller

    Wann endlich hört das mit der Vorverurteilung von von Personen wie Edathy auf. Da hat sich ein Schlapphut verbotenes Gut bei einer kanadischen Firma bestellt, ein Tatbestand von Kriminalität. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete bestellt bei derselben Firma ausdrücklich so beschriebenes nichtkriminelles Material, so dass es auch juristisch keinen Fall für Strafverfolgung gibt; doch der Staatsanwalt hat die Lücke in Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung entdeckt, die er ausfüllen muss und die ihm den Anfangsverdacht liefern soll: es gibt ja Erfahrungssätze in der Art, dass fast alle Rauschgiftsüchtigen auch Raucher sind; wenn also sich einer mit Tabakwaren eindeckt, dann ist das ein Anfangsverdacht dafür, dass sich dahinter ein Rauschgiftdelikt verbergen könnte, und dem muss man nachgehen; wenn eine Durchsuchung magere Ergebnisse zeitigt, dann hat der Verdächtigte Material verschwinden lassen. Nicht bedacht hat die verfolgende Behörde dabei, dass Verfolgung Unschuldiger und Untersuchungen ins Blaue höchstrichterlich untersagt sind. In einem Rechtsstaat gilt für alle die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils, der Verurteikung. Unter solchen Aspekten gibt es also keinen "Fall", was ein egemaliger Innenminister in seiner Amtszeit auch hätte lernen können. Doch so etwas ist nichts für den Kampagnenjournalismus hierzulande. Da wird eine Sau durchs Dorf gejagt, und alle Medien beteiligen sich fröhlich an der Hatz, das tumbe Volk fühlt sich gut informiert und unterhalten, und das alles nur, um eine richtige Sauerei von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt durchzuziehen. Bei verantwortungsvollen Politikern sollte man erwarten, dass sie sich an einem Nullum von Fall nicht beteiligen, doch das bringt ja wenig Aufmerksamkeit, da streitet man lieber, wirft mit Dreck, weil da immmer etwas hängen bleibt, bleibt am Ball, weil das so schön von echten Problemen ablenkt.