BGH-Urteil gegen Google: Suchmaschine muss löschen

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Googles automatische Vervollständigung im Einzelfall rechtswidrig ist. Der Konzern muss nun handeln.

Nicht immer sind Googles Ergänzungen so unverfänglich wie hier. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat am Dienstag entschieden, dass der Suchmaschinenbetreiber Google automatisch angezeigte Wortkombinationen in Einzelfällen löschen muss. Die höchste Instanz für Zivil- und Strafverfahren in Deutschland begründete sein Grundsatzurteil damit, dass gegebenenfalls durch bestimmte Wortkombinationen die Persönlichkeitsrechte von Nutzern verletzt werden können.

Geklagt hatte der Gründer und Vorstandsvorsitzende einer Aktiengesellschaft, die im Internet Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt. Der Kläger stellte im Mai 2010 fest, dass bei Eingabe seines Vor- und Nachnamens in das Suchfeld bei Google als Suchvorschläge die Begriffe „Scientology“ und „Betrug“ ergänzt wurden.

Diese sogenannte Autocomplete-Funktion ist in die Suchmaschine integriert und blendet bei der Eingabe ergänzende Zusätze ein. „Dabei handelt es sich um automatisch angezeigte Begriffe, die Google-Nutzer zuvor gesucht haben“, stellt Google-Sprecher Dr. Ralf Bremer klar. Diese werden auf Basis eines Algorithmus automatisch ermittelt.

Der Kläger fühlte sich im konkreten Fall in seinem „Persönlichkeitsrecht und geschäftlichen Ansehen verletzt“, wie aus der Mitteilung des BGH zum vorliegenden Fall hervorgeht. Trotz einer Rüge, schaltete der IT-Konzern die Funktion nicht ab. Damit hatte Google Prüfpflichten verletzt, entschied am Dienstag der BGH.

Enttäuschendes Urteil aus Google-Sicht

Das Urteil kann für Google erhebliche Auswirkungen haben, wie der Medienrechtler Christian Solmecke erklärt: „Künftig muss der Suchmaschinenbetreiber sämtliche Rügen individuell prüfen.“ Das heißt konkret, so Solmecke weiter, „dass jeder, der sich durch die Autocomplete-Funktion in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt fühlt, sich an Google wenden und verlangen kann, dass bestimmte Begriffe nicht mehr automatisch hinzugeschaltet werden.“

Für Google ist die Urteilsbegründung zweischneidig: Einerseits sei man angesichts der zahlreichen gegenteiligen Gerichtsurteile zur Autovervollständigung „enttäuscht“ und „überrascht“ von der Entscheidung des BGH. Andererseits sei es aber „erfreulich“, so Bremer, „dass das Gericht die Autovervollständigung für zulässig hält und Google nicht verpflichtet, jeden angezeigten Begriff vorab zu prüfen.“ Nicht nachvollziehen könne Google jedoch die Auffassung des BGH, dass für die von Nutzern eingegebenen Suchbegriffe dennoch gehaftet werden soll. Der Suchmaschinenbetreiber will derweil die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Der Fall wurde an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen.

Bleibt das Urteil so bestehen, muss Google handeln, um Unterlassungs- und Schadensersatzklagen abzuwehren. „Im konkreten Fall wurde dies an die Vorinstanz zurückverwiesen, damit geklärt werden kann ob und in welcher Höhe dem Betroffenen Schadensersatz zusteht,“ erklärt Medienrechtler Solmecke.

Google schließt Deaktivierung der Funktion aus

Für die Zukunft bleiben Google damit zwei Möglichkeiten: Entweder, so Solmecke, werde die Autocomplete-Funktion hierzulande deaktiviert oder jedem beliebigen Nutzer werde automatisch – und ohne Überprüfung durch Google – die Möglichkeit gegeben, zusätzliche Begriffsvorschläge zu entfernen. „Dies wiederum würde ganz sicher Suchmaschinen-Optimierer auf den Plan rufen, die so gezielt Suchanfragen für ihre Zwecke manipulieren würden“, fügt Solmecke hinzu.

Für Google stelle sich indes die Frage nicht, ob die Autocomplete-Funktion abgeschaltet wird, macht Kay Oberbeck, Google-Direktor für Presse- und Öffentlichkeitsarbei, taz gegenüber deutlich. Das Urteil beziehe sich nur auf den vorliegenden Einzelfall. Auch die Möglichkeit zur Entfernung von Begriffen durch die Nutzer gäbe es bereits – Oberbeck verweist auf ein entprechendes Antragsformular.

In acht vergleichbaren Entscheidungen bekam Google bisher immer Recht – darunter im Fall von Bettina Wulff, der Frau des ehemaligen Bundespräsidenten. Sie hatte im November 2012 gegen den IT-Konzern geklagt, auch bei ihr wurde die Löschung der Ergebnisse der Autovervollständigung abgelehnt.

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