piwik no script img

BERLUSCONIS DIFFAMIERUNG DES ISLAM WAR KEIN AUSRUTSCHERFutter für Europas Vorurteile

Wenn einer, der in Rom Regierungschef ist, von der „Überlegenheit der westlichen Kultur gegenüber dem Islam“ redet, ist das für ganz Europa eine Katastrophe. Nicht nur, weil er die beiden größten Religionsgemeinschaften auf unserem Kontinent aufeinander loshetzt. Nicht nur, weil er die Zusammenarbeit zwischen Nord- und Südrand des Mittelmeeres kompliziert. Sondern vor allem, weil er belegt, dass die europäische Politik auch im 21. Jahrhundert noch zur Barbarei neigt.

Natürlich ist Berlusconis Ausspruch falsch. Es gibt keine über- und keine unterlegenen Zivilisationen. Es gibt außerdem sehr wohl – und schon lange – eine plurale Öffentlichkeit in der islamischen Welt und in den islamischen Gemeinschaften. Einige islamische Länder haben sogar eine verfassungsmäßig verankerte Trennung von Staat und Religion – das laizistische Prinzip –, von der viele westliche Demokratien noch weit entfernt sind. Aber Berlusconis Rede war kein Ausrutscher. Er hat nur laut ausgesprochen, was Millionen von Europäern denken. Ihren Ressentiments hat er Rückendeckung gegeben. Dass Berlusconi es gesagt hat, ist – nach dem Mord von Genua – eine weitere Konsequenz der italienischen Wahlen, die rechte Populisten und angeblich geläuterte Neofaschisten an die Regierung gebracht haben. Der Rest der Europäischen Union hat dem Treiben in Rom bislang untätig zugesehen. Dieses gefährliche Nichtstun ist einerseits Resultat der schlecht organisierten Quarantäne, mit der die EU gegenüber Österreich gescheitert ist. Es hat auch damit zu tun, dass Italien ein großes Land ist und einst die EWG mit gegründet hat. Und schließlich haben sich die europäischen Konservativen selbst die Hände gebunden, indem sie Berlusconis „Forza Italia“ in ihren Kreis aufnahmen und somit den Status der größten Fraktion im Europaparlament erlangten.

Halbherzige Distanzierungen aus Brüssel reichen jetzt nicht mehr aus. Konkrete Schritte müssen folgen. Wer zu den Berlusconis und Haiders, zu den Schills und Blochers schweigt, darf nicht für sich in Anspruch nehmen, die demokratischen Werte Europas zu verteidigen. DOROTHEA HAHN

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen