BEIM RENTENKONSENS MÜSSEN PARTEIPOLITISCHE SCHRANKEN FALLEN: Sinnvolle Kompromisse
Ohne Zweifel: Die Rentenreform wird eine schwere Geburt. Dennoch besteht begründete Aussicht, dass es Arbeitsminister Riester nicht so ergeht wie seiner Kabinettskollegin Fischer mit ihrer Gesundheitsreform. Ihr Gesetzentwurf wurde von der Opposition solange torpediert, bis nur noch die Teile übrig waren, die nicht durch den Bundesrat mussten. Bei der Rentenreform liegen die Dinge etwas anders. Union und FDP sind durch die Konsensgespräche eingebunden. Trotz aller Drohgebärden aus München ist kaum vorstellbar, dass die Union die Reform den Bach runtergehen lassen wird. Aber Riester wird Federn lassen müssen.
Die zentrale Frage lautet: Wie hoch werden die Beiträge und die Renten in Zukunft sein? Alle sind sich einig, dass die Rentenbeiträge möglichst lange stabil bleiben sollen. Klar ist aber auch, dass die Beiträge spätestens ab dem Jahr 2020 steigen werden. Um die Frage nach der künftigen Höhe der Renten hat sich der Arbeitsminister bislang herumgedrückt. Fest steht, dass die Renten zwei Jahre lang nur um die Inflationsrate erhöht werden sollen. Danach will Riester sie wieder an die Nettolöhne koppeln. Die will der Arbeitsminister durch statistische Tricks niedrigrechnen – dadurch würden die Renten nur geringfügig steigen.
Der Vorschlag der Union ist dagegen logischer und ehrlicher. Sie will einen demographischen Faktor in die Rentenformel einbauen. Dadurch sinkt das Rentenniveau, wenn es immer mehr Ältere und immer weniger Jüngere gibt. Zu Riesters Leidwesen machen sich auch die Grünen für diesen Vorschlag stark. Es kann also gut sein, dass der Arbeitsminister in dieser zentralen Frage nachgeben muss. Auch seine Idee, niedrige Renten aus Steuermitteln auf Sozialhilfeniveau aufzustocken, könnte im Papierkorb landen. Die Union hat bereits angekündigt, sie werde eine solche Grundsicherung nicht mitmachen. Das ist bedauerlich, denn die Grundsicherung würde den ärmeren RentnerInnen den Weg zum Sozialamt ersparen. Bei anderen Themen, zum Beispiel der „eigenständigen Alterssicherung der Frauen“, haben die Konservativen jedoch Kompromissbereitschaft signalisiert.
Nach den Vorstellungen der Koalition sollen die Beiträge des Elternteils, der wegen der Kindererziehung nur Teilzeit arbeitet, aufgewertet werden. Und in der Tat wäre es nur gerecht, die Leistung für die Kindererziehung auf diese Weise bei der Rente anzuerkennen. Koalition und Opposition sind sich ebenfalls einig, dass die private Vorsorge gefördert werden muss und die Beiträge steuerlich absetzbar sein sollen. Unionsvertreter fordern darüber hinaus einen großzügigeren staatlichen Zuschuss zur Vorsorge. Außerdem sollen auch Menschen, die mehr als 60.000 Mark im Jahr verdienen, in den Genuss dieses Zuschusses kommen. Da ist nichts dagegen zu sagen. Allein: Die Unionspolitiker müssen aufzeigen, wie sie diese Großzügigkeit finanzieren wollen.
Finanzminister Eichel hat inzwischen im Zusammenhang mit der Rentenreform die schlimmsten Befürchtungen. Langfristig wollen nämlich alle Beteiligten auch die Beiträge zur gesetzlichen Versicherung steuerfrei stellen und dafür die Renten besteuern. Dies würde zunächst einmal Steuerausfälle in Millionenhöhe bringen. Eine solche Umstellung ist daher nur schrittweise und langfristig denkbar. Über den Zeitplan der Rentenreform im Zusammenhang mit der Besteuerung ist sich Riester – sehr zur Freude der Opposition - in den vergangenen Tagen mit Finanzminister Eichel in die Haare geraten. Eichel hatte gefordert, die Regierung müsse das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rentenbesteuerung abwarten. Damit ist er Riester in den Rücken gefallen, der die Reform möglichst schnell durchziehen will. Inzwischen haben sich beide Minister darauf geeinigt, dass die Rentenreform schnell auf den Weg gebracht werden soll. Falls das Urteil im kommenden Jahr noch rechtzeitig ergeht, soll es in die endgültige Fassung „eingearbeitet“ werden. Das dürfte kein großes Problem werden, da bereits heute absehbar ist, dass die Verfassungsrichter die Besteuerung der gesetzlichen Renten fordern werden. Die Mitglieder der Rentenkommission müssen nun schnell zu Potte kommen. Riesters Sorge ist berechtigt: Wenn die Rentenreform nicht vor Beginn des kommenden Bundestagswahlkampfes verabschiedet wird – dann kann er sie vergessen. Denn Wahlkampf und Rentenkonsens schließen einander aus.
TINA STADLMAYER
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