B-WAFFEN-KONFERENZ: EUROPA IST MITVERANTWORTLICH FÜR SCHEITERN: Unglaubwürdige Verblüffung
„Die Bush-Administration hat uns belogen und wie Dreck behandelt. Sie hat der Konferenz den Todesstoß versetzt. Ihr Vorgehen ist völlig unakzeptabel. Wir sind sehr enttäuscht, verblüfft und schockiert.“ Es kommt selten vor, dass sich nicht nur der Botschafter Indiens, sondern auch führende Diplomaten Deutschlands und anderer europäischer Nato-Verbündeter der USA so kritisch über die Regierung in Washington äußern wie nach dem Scheitern der Genfer Biowaffenkonferenz in der Nacht zum Samstag. Ihr Ärger ist völlig verständlich und überaus berechtigt. Denn der in fast siebenjährigen, mühsamen Verhandlungen der UNO-Abrüstungskonferenz entstandene Entwurf eines Überprüfungsprotokolls für das Verbot biologischer Waffen ist nun endültig Makulatur. Darüber hinaus verhinderten die Vereinigten Staaten mit ihrem brüsken Vorgehen auch, dass wenigstens weiterverhandelt werden kann über alternative multilaterale Maßnahmen zur verbesserten Durchsetzung des B-Waffen-Verbots.
Weniger glaubwürdig als der Ärger ist dagegen die von deutschen und anderen europäischen Diplomaten demonstrierte Verblüffung über das Vorgehen der USA. Denn bereits im Februar dieses Jahres war eine interne, immerhin von Außenminister Colin Powell abgezeichnete Einschätzung der Bush-Admininistration bekannt geworden, wonach der Entwurf für das Überprüfungsprotokoll „unvereinbar“ sei mit den nationalen Interessen der Vereinigten Staaten. Die in dem Protokoll vorgesehenen internationalen Kontrollen wurden als Gefahr beschrieben für die zivile Industrie sowie für die nationale Sicherheit der USA, insbesondere für die angeblich ausschließlich defensiven Biowaffen-Forschungsprogramme der US-Verteidigungsstrategen im Pentagon.
Im Berliner Außenministerium reagierte man seinerzeit beschwichtigend auf diese vermeintlich nur „vorläufige“ interne Analyse und verwies auf die „großen Einflussmöglichkeiten“ von Außenminister Joschka Fischer und seinen europäischen Amtskollegen in Washington. Im Juli begründete der US-Botschafter bei der Genfer UNO-Abrüstungskonferenz mit den unveränderten Argumenten aus dem Analysepapier vom Februar dann die offizielle Ablehnung des von allen anderen 60 Konferenzstaaten unterstützten Überprüfungsprotokolls. Doch selbst nach dieser offiziellen Erklärung verbreiteten Außenminister Fischer und seine Diplomaten in Genf, New York oder Washington unverdrossen die Einschätzung, die Bush-Administration werde ihre Haltung noch korrigieren.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September und insbesondere seit den Milzbrandattacken in den USA kündigten hochrangige Vertreter der Regierung Schröder/Fischer an, jetzt werde die Bush-Administration gerade beim Thema B-Waffen zu einer multilateralen Außenpolitik zurückfinden. Daher gebe es neue Chancen für einen Konsens bei den Genfer Verhandlungen. Unklar ist, ob diese Einschätzung nur naiv war oder ob sie wider besseres Wissen verbreitet wurde. Doch sie diente vor allem deutschen und britischen Regierungsvertretern dazu, in den letzten Monaten alle Vorschläge zurückzuweisen, das B-Waffen-Überprüfungsprotokoll zunächst einmal ohne die USA zu beschließen und in Kraft zu setzen – ähnlich wie das Klimaschutzprotokoll von Kioto. Für dieses Vorgehen hatten ursprünglich fast alle anderen Mitglieder der UNO-Abrüstungskonferenz plädiert – inklusive der anderen EU-Staaten. Es scheiterte an der Weigerung der Briten und der Deutschen.
Jetzt steht die UNO-Konferenz mit ihren Bemühungen um eine Überwachung und verbesserte Duchsetzung des Verbots biologischer Waffen vor einem Scherbenhaufen. Die Regierungen in Berlin, London und anderen Hauptstädten sind für diesen Scherbenhaufen kaum weniger verantwortlich als die Bush-Administration. Dass die USA seit Ende des Kalten Krieges immer weniger an Rüstungskontrolle und Abrüstung mittels multilateraler Vereinbarungen interessiert sind und stattdessen verstärkt auf nationale militärische Maßnahmen gegen tatsächliche oder vermeintliche Bedrohungen setzen, wurde bereits während der Clinton-Administration deutlich. Die Berliner rot-grüne Koalition passt sich diesem verhängnisvollen Kurs Washingtons, dem die Regierungen Kohl/Genscher und Kohl/Kinkel noch deutlich, engagiert und oft auch öffentlich widersprochen hatten, zunehmend an. ANDREAS ZUMACH
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