: Autonomie: Chance oder Chaos?
■ Die grün orientierte Asta-Vorsitzende Ulrike Sander im Streit mit ihrem Vorgänger Guido Meyer (Jusos) über Verteilungskämpfe und Demokratie
Warum braucht Uni Automonie?
Ulrike Sander: Ein Kerngedanke dabei ist, daß im Moment eine Auseinandersetzung über das, was an den Hochschulen geforscht und gelehrt wird, nur zwischen Hochschule und Behörde geführt wird. In der Öffentlichkeit findet dies nicht statt. Wenn die Hochschulen mehr Autonomie hätten, könnten sie Mittel effizienter verwenden, indem sie selbst sinnvolle Kontroll- und Steuerungsmechanismen einführen. Zum anderen wären sie hoffentlich in der Öffentlichkeit in einer anderen Position. Würden sich mehr darum bemühen, nach außen zu treten. Im Momment gibt es ja praktisch nur das Vorlesungsverzeichnis, an dem man merkt, was in der Uni passiert.
Guido Meyer: Die Auseinandersetzung über Sinn und Zweck von Lehre und Forschung wird ja heutzutage nicht mal zwischen Behörde und Uni geführt. Deshalb hat die heutige Wissenschaftsbehörde Schwierigkeiten, sich gegenüber dem Rest-Senat durchzusetzen, weil überhaupt nicht klar ist, wofür Hochschule überhaupt da ist. Die Wissenschaftsbehörde hat verpaßt, diese Diskussion zu führen. Aber der Autonomie-Gedanke wird das nicht ins Reine bringen. Nötige Voraussetzung für mehr Autonomie wäre meiner Ansicht nach allerdings die Demokratisierung der Entscheidungsstrukturen im Hochschulbereich.
Ulrike, wieso stünde eine autonomere Uni mehr unter dem Druck, sich öffentlich darzustellen?
Sander: In dem Moment, wo ich eine direktere Verfügungsgewalt über die Mittel habe, die mir zur Verfügung stehen, besteht ein größerer Ansporn, der Öffentlichkeit darzulegen, daß die Mittel sinnvoll verwendet werden.
Wie sollte das denn funktionieren, zum Beispiel am Fachbereich Germanistik?
Sander: Ich hab' keine konkreten Vorstellungen, wie das an einzelnen Fachbereichen umgesetzt werden könnte. Ich denke, daß es Aufgabe der Germanisten ist, zu überlegen, wie können wir ein Angebot machen, daß es interessant ist für Leute, hier vielleicht mal reinzukommen. Ein ganz gutes Beispiel, finde ich, ist die Medizin-Seite, die das UKE in Zusammenarbeit mit einer Hamburger Tageszeitung macht. Da werden Ergebnisse von Wissenschaft nach außen getragen und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt.
Meyer: Das hört sich nach marktwirtschaftlichen Prinzipien an. Jeder muß für seine eigenen Studis kämpfen, muß auch dafür kämpfen, daß er das Geld bekommt. Ein isolierter Germanistik-Fachbereich kann schwer nach außen darstellen, wofür seine Lehre und Forschung gebraucht wird. Das muß in eine gesamtgesellschaftliche Diskussion eingebettet werden, wie wir es schaffen können, die dringendsten Probleme zu lösen. Die da wären: Rettung der Umwelt, Frieden...
Ihr sagt beide: Wir brauchen eine gesellschaftliche Diskussion über das, was Hochschule macht.
Sander: Ja. Das bedeutet ja nicht, daß alle Fachbereiche auf einen Schlag in die Öffentlichkeit treten müssen. Sondern, daß durch Haushaltsautonomie, durch die Gewährung eines Globalhaushalts, eine hochschulinterne Auseinandersetzung geführt wird. Also, warum zum Beispiel der Fachbereich Germanistik doch ein paar Tutorenmittel mehr bekommt und der Bereich Wirtschaftswissenschaften ein paar weniger.
Der Schlüssel soll also ein anderes Haushaltsrecht sein?
Sander: Es ginge zunächst darum, daß verschiedene Titel austauschbar sind.
Wenn nun im Philturm ein geisteswissenschaftlicher Fachbereich vor sich hin forscht und nie gefragt wird, warum, dann müßte dies spätestens dann passieren, wenn es um die Verteilung von Tutorienmitteln geht?
Sander: Abgehoben zu forschen mag ja durchaus berechtigt sein. Aber wenn die Diskussion darüber nicht geführt wird, dann erscheint es den Leuten wirklich irgendwann absurd.
Kann es nicht sein, daß die Behördenbürokratie eine gewisse notwendige Schutzfunktion hat?
Sander: Die Haushaltsautonomie sollte nicht soweit gehen, daß ganze Fachbereiche gestrichen werden.
Fortsetzung auf Seite 9
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