: Autofahrer und Ausreiser: Zwischen Ex- und morgen
■ Dokumentarfilme über die »Post«-DDR
Peter Welz ist ein netter, junger Mann, der eigentlich eine strahlende Zukunft vor sich hatte. Als Absolvent der Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad Wolf« war seine Karriere vorgezeichnet, und dann das: Den Sprung in die cineastische Marktwirtschaft federt ihm das Goethe-Institut ab, indem es Peter Welz Dokumentar-Video-Filme zur Befindlichkeit der nunmehr geeinten Nation drehen läßt.
Freie Fahrt für freie Bürger heißt sein Beitrag zum Automobilland Deutschland, und was es da nicht alles Erstaunliches zu sehen gibt: Autoclubs, Autofriedhöfe, Automärkte. Vom Traum über das Trauma führt der Film aus der automobilen Sackgasse. Der andere Dokumentarfilm Auf und davon zeigt Deutsche, die im Jahr 1991 einen Ausreiseantrag stellen — auch das gibt es noch: Nur, daß diesmal die Reise nicht nur fünfzig Kilometer, Hauptsache Richtung Westen geht, sondern sogar bis nach Kanada oder Australien.
Diese Reise verspricht durchaus spannend zu werden, wenn die Filme von der gleichen Qualität sind wie die Welz-Werke, die es letzte Woche zu sehen gab.
Land und Leute und Wenn wir untergehen, gehen wir alle unter zeigten beide das gleiche Problem, doch auf unterschiedliche Weise: Der eine eine zufällige Reise durch ein Land auf Abruf, der andere steuert bewußt die Problemherde an. »Ratlosigkeit, Verstörung, Wut, aber auch Optimismus, Lebenswille bei den Leuten eines Landes, das es eigentlich nicht mehr gibt oder geben soll«, hat Peter Welz beobachtet.
Er drängt sich seinen Darstellern nicht auf, läßt sie einfach erzählen, Kommentare gibt es keine, die Bilder sprechen für sich. Sie lassen Abstand wie Vertrautheit zwischen dem Regisseur und dem ehemaligen DDR- Otto-Normal-Bürger erkennen. Etwa, wenn ein Dreißigjähriger in Stonewash-Uniform vor einer Imbißbude sitzt und beim Bier vom wirtschaftlichen Aufschwung redet. Und wenn aus einem DDR-Bungalow plötzlich ein Erotikshop wird, dann brechen die Lacher unweigerlich los. Die Ausflüge in die Komik sind aber nur kurz, es überwiegen stille, resignierende, manchmal auch wütende Sequenzen.
Deshalb wirft das Westpublikum dem Film Weinerlichkeit vor, ganz anders dagegen die Ostler: Die fanden den Film gut, wenn nicht gar toll, bloß: Eine Ost-West-Diskussion kam nicht zustande. Es könnte ja sein, daß heute über diesen Autofilm mehr geredet wird. Oder sollten etwa alle Besucher Radfahrer sein? Steffen Weber
Die Dokumentarfilme von Peter Welz gibt es heute um 20 Uhr in der Galerie im Scheunenviertel, Weinmeisterstraße 8, in Mitte zu sehen.
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