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Autobahnbau in NorddeutschlandKann losgehen

Für die Ausbaupläne soll nun doch eine Finanzierung gefunden werden – ob mit privatem Geld, zu Lasten der Sanierung oder zu Lasten der Bahn ist offen.

Viele Anwohner sind nicht so begeistert wie viele Politiker: Protest gegen Autobahnbau 2021 bei Rastede in Niedersachsen Foto: Mohssen Assanimoghaddam / dpa

Hamburg taz | Die Autobahnen im Norden sind wieder da. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge haben sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) darauf verständigt, die Finanzierung baureifer Autobahnprojekte sicherzustellen. Das beträfe die A26 Ost quer durch den Hamburger Hafen, die Küstenautobahn A20 sowie die A39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg.

Wenige Tage zuvor hatte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) gewarnt, dass mit dem geplanten Etat viele Neubauprojekte nicht zu realisieren seien. 15 Milliarden Euro zu wenig habe Finanzminister Klingbeil für sein Ressort im Zeitraum 2026 bis 2029 eingeplant. In einer Sitzung der Unions-Bundestagsfraktion soll Bundeskanzler Merz jetzt versprochen haben, alle Möglichkeiten zu nutzen, um möglichst viele Neubauprojekte zu ermöglichen.

Für die Finanzierung kämen verschiedene Wege infrage: Die Autobahn GmbH des Bundes könnte sich verschulden – allerdings zu schlechteren Konditionen als der Bund selbst. Der Bau könnte in Öffentlich-Privater Partnerschaft (ÖPP) finanziert werden. Private würden dann investieren und entsprechend mitverdienen – ein Modell, bei dem die öffentliche Hand in der Regel draufzahlt.

Bundesverkehrsminister Schnieder brachte im Bundestag überdies den Vorschlag ins Spiel, die Regeln für das Infrastruktur-Sondervermögen zu lockern. Das von den oppositionellen Grünen im Bundestags mitbewilligte Geld sollte eigentlich dafür da sein, die dringend notwendige Sanierung von Straßen und Schienen zu finanzieren.

Es ist nicht vermittelbar, dass Brücken und Straßen wegbröseln, während nun weitere Milliarden in teure, klimaschädliche neue Straßenbauprojekte investiert werden

Hans-Christian Friedrichs, Verkehrsclub Deutschland/Niedersachsen

Bereits im April hatte der Bundesrechnungshof angemahnt, die Erhaltung und Sanierung zu priorisieren. Nicht einmal bei der dringend notwendigen Sanierung von Brücken komme die Autobahn GmbH ihrem selbst gesetzten Ziel hinterher. Es sei sogar nötig, sich erst mal auf die wichtigsten Brücken zu konzentrieren. „Der Gesetzgeber könnte dies durch eine Umverteilung der Haushaltsmittel zugunsten der Erhaltung und eine Zweckbindung für die Brückensanierung unterstützen“, schlägt der Rechnungshof vor.

Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) kritisierte die Entscheidung zum Ausbau des Autobahnnetzes und warnte vor hohen Kostensteigerungen. „Es ist den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar, dass Brücken und Straßen unter unseren Füßen wegbröseln, während nun weitere Milliarden in teure, klimaschädliche neue Straßenbauprojekte investiert werden, die zuvor nicht vom Bundeshaushalt gedeckt waren“, sagte Hans-Christian Friedrichs vom VCD Niedersachsen.

Besonders irritierend sei, dass Finanzminister Klingbeil offenbar prüfen wolle, die vier Autobahnprojekte durch Öffentlich-Private Partnerschaften finanzieren zu wollen. Dabei sei seit Jahren wissenschaftlich belegt, dass diese Finanzierung von privater Seite mit deutlich höheren Finanzierungskosten für die öffentliche Hand verbunden ist. Wir fordern Minister Klingbeil daher auf, dieses Finanzierungs-Wirrwarr zu stoppen und das Geld lieber in die klimafreundliche Schiene oder den Erhalt von Straßen und Brücken zu investieren“, so Friedrichs weiter.

Das niedersächsische Verkehrsministerium teilt mit, dass es durchaus nicht untätig sei. Aus eigenen regulären Haushaltsmitteln und solchen des Bundes habe die Landesbehörde in den Jahren 2024 und 2025, Stand September, rund 265 Millionen Euro in laufende Brückenersatzbauten investiert. Von 2024 bis 2027 sei geplant, mit dem Bau von 60 weiteren Brücken zu beginnen. Die bisher ­bezifferbaren Kosten liegen bei voraussichtlich rund 450 Millionen Euro.

Umweltverbänden klagen gegen die A26 und die A39

Für die A20 zwischen Elbe und Weser sowie die A39 fordere das Land Niedersachsen seit Wochen vom Bund den Baustart. Für beide Autobahnen bestehe in den jeweils ersten Abschnitten unanfechtbares oder vollziehbares Baurecht, sodass die Autobahn GmbH des Bundes mit dem Bau beginnen könnte. Für den ersten Abschnitt der A26 Ost durch Hamburg liegt ein Planfeststellungsbeschluss vor. Allerdings klagen Umweltverbände gegen die Autobahn, ebenso gegen die A39.

Niedersachsens Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne (SPD) bezeichnete die Autobahn-Neubauprojekte als für Niedersachsen von zentraler Bedeutung: „Sie sichern die wirtschaftliche Entwicklung, schaffen zukunftsfähige Infrastruktur und entlasten lokale Straßen sowie Städte nachhaltig.“ Der Bundesverkehrsminister müsse umgehend Klarheit und Verbindlichkeit schaffen, welche Bundesautobahn von der Autobahn GmbH des Bundes ab wann bearbeitet werde.

Dabei ist der Nutzen einiger dieser Projekte fraglich. Nach einem Gutachten des Bundesumweltministeriums ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis der A20 und der A39 schlecht. Unter der Annahme eines künftigen hohen CO2-Preises rutscht er bei der A39 sogar ins Negative. Bei der A26 Ost quer durch den Hamburger Süden warnen die Gutachter vor Umweltschäden, weil deren Bau CO2-speichernde Moorböden und den Lebensraum geschützter Tiere und Pflanzen zerstören würde.

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