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Auswirkungen von CastingshowsErst Kurzzeitstar, dann Typ 7

Eine Medienstudie warnt: Castingshows haben für manche KandidatInnen oft verheerende Folgen – bis hin zur Depression.

Schon lange kein Star mehr: Annemarie Eilfeld. Bild: ap

Die Teilnahme an Castingshows wie „Deutschland sucht den Superstar“ („DSDS“) oder „Germany’s Next Topmodel“ ist für viele junge ZuschauerInnen ein ebenso begehrter wie unrealer Traum. Doch die wenigen, die tatsächlich dabei sind, werden während des Castings und darüber hinaus einem enormen Druck ausgesetzt.

In manchen Fällen kann das zur Depression führen. Das hat eine Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) und der NRW-Medienanstalt LfM ergeben.

Egal ob die KandidatInnen Erfolg hatten oder öffentlich gedemütigt wurden: Konsequenzen, die sie vorher nicht absehen können, gebe es immer, so Maya Götz, eine der Autorinnen der Studie. Wie schlimm diese Folgen sind, „kommt darauf an, was für ein Mensch man ist und wie man von den Medien dargestellt wird“.

Wird jemand in einer Sendung lächerlich gemacht, kann der Sender das beschämende Material noch über Jahre hinweg immer wieder ausstrahlen. Zusätzlich bleiben sie auf Portalen wie YouTube für alle zugänglich, warnt die Forscherin.

Ein generelles Problem liege vor allem in der mangelnden Professionalität der KandidatInnen, die ihre Rechte unwissend an den Sender abtreten und sich mit zusammengeschusterten Aufnahmen inszenieren lassen. Die Macher seien „Profis, die das menschliche Material nutzen.

„Typ 3: abgewertete Hoffnungsträger“

Sowohl die Produktion als auch die Zuschauer brauchen junge, unerfahrene Menschen, denen sie beim Wachsen zusehen können“, erklärt Götz. Dass dahinter echte Menschen stehen, die im echten Leben oft ganz anders sind, als sie im Reality-Fernsehen dargestellt werden, sei den wenigsten Zuschauern bewusst.

Eine ehemalige Kandidatin, die durch ihre Teilnahme bei „DSDS“ „einen schmerzhaften Einblick in die Scheinwelt der Medien“ bekommen hat, ist Annemarie Eilfeld. „Mir wurde teilweise das Wort im Mund umgedreht. Die Kandidaten in meinem Umfeld, mit denen ich mich super verstanden habe, wurden gezielt gegen mich aufgebracht. Das hat mir sehr wehgetan, und damit habe ich damals nicht gerechnet“, erzählt die Sängerin, die inzwischen mit ihrer eigenen Musik Erfolg hat, der taz.

Ihre Teilnahme bei „DSDS“ sah sie als Chance, Kontakte zu knüpfen und eine breite Öffentlichkeit für sich und ihre Songs zu bekommen. „Vielen Kandidaten geht es genau darum, schnell berühmt zu werden, egal zu welchem Preis, und dafür gibt es derzeit kein besseres Format als ’DSDS‘“, sagt die 22-Jährige. Nach den Auftritten war es häufig hart: „Ich war nach meinen Shows oft alleine im Hotel, da hatte ich Schwierigkeiten, das Erlebte zu verarbeiten. Mir ging es nach der Sendung sehr schlecht.“

Eilfeld gehört in der Studie zum „Typ 3: abgewertete Hoffnungsträger“ von ExkandidatInnen. Gefährlich wird es, wenn die gemachten Erfahrungen zum Typ 6 oder 7 gehören. Unter dieser Kategorie sammeln sich Menschen, die aufgrund ihrer Casting-Teilnahme unter Depressionen leiden und bis heute damit kämpfen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.

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3 Kommentare

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  • N
    Nutzer

    Super, dass Sie die schlechte Seite solcher Castingsshows beleuchten. Ich hoffe, dass die Masche der MacherInnen solcher Sendungen auch für viele Jugendliche durchsichtig wird und sie diese Formate gesund einschätzen lernen.

  • G
    gesche

    das ist unmenschlich, was diese tv-produzenten da machen. mit voller absicht menschen manipulieren und schädigen.

     

    es muss doch möglich sein, etwas dagegen zu tun. ist es nicht z.b. rechtsbeugung, wenn kandidat*innen ihre rechte qua vertrag genommen werden, und könnte man sie dafür nicht anzeigen? und dieses absichtliche negativ-darstellen fällt doch schon unter rufmord oder rufschädigung.

    allerdings muss auch außerhalb der individuellen ebene was getan werden, auf politischer ebene. z.b. ein gremium, das solche sender überwacht und ihnen bei zu vielen verstößen die lizenz entzieht.

    was für eine vorstellung von "menschenwürde" wird hierzulande eigentlich vertreten, wenn mit demütigung von menschen quote und geld gemacht werden soll? grundgesetz, artikel 1 bitte nochmal nachlesen.

  • A
    anke

    Der Extrem-Wettbewerb hat Nebenwirkungen - wer hätte das gedacht? In einigen Fällen weniger starke, in anderen recht drastische, je nachdem, was für ein Mensch man ist und wie man konkret behandelt wird. Vor rund hundert Jahren hat man das noch gewusst. Heute ist es beinahe vergessen.

     

    Leider sind Kapitalisten, um mal ein außer Gebrauch geratenes Substantiv zu verwenden, noch immer "Profis, die das menschliche Material nutzen". RTL und ProSieben haben die Träume von Ruhm, Reichtum und einem aufregenden Leben nicht erfunden. Sie sind lediglich ein Brennglas. Sie vergrößern ein Prinzip, dessen Makel normalerweise kaum zu sehen sind vor lauter Massenkonsum. So stark, dass sogar Einäugige und Beinahe-Blind erkennen können, was geschieht und welche negativen Folgen drohen. Schade nur, dass König Kunde auch mit Lupe nicht weiter denken mag als bis zur Aldi-Tüte in der Hand und zum Zweitwagen vor der Tür.

     

    Frau Staib, das IZI, der LfM und andere "Seher" richten ihren Blick nun auf die Castingshows. Das garantiert ihnen maximale Zustimmung und allgemeines Wohlwollen. Die gehobene Klasse (die, die sich schon vor Jahren von den Massenmedien verabschiedet hat) fühlt sich damit einmal mehr bestätigt in ihrem Distinktionsdünkel. Den übrigen "Machern" aber kann es nur recht sein, wenn sich die politische Volksbildung am Unterschichtenfernsehen abarbeitet. Bleiben sie selbst doch unbehelligt, so lange das allgemeine Geschrei bloß Leute trifft, denen es am verlängerten Rücken vorbei geht. Vorausgesetzt, die Quote stimmt und die Möglichkeit der Selektion bleibt garantiert.

     

    Geld stinkt offenbar noch immer nicht. Auch dann nicht, wenn es (anders als im alten Rom) kränker macht, nicht gesünder. Wozu, schließlich, gibt es eine Pharmaindustrie? Soll die sich doch nach eben der Masche dumm und dämlich verdienen an der irren Hoffnung der Leute auf eine Heilung ohne Amputation! Win-win-heißt das Prinzip auf Neudeutsch, glaube ich. Win-win-lose wäre ehrlicher. Aber wer braucht schon Verlierer?