piwik no script img

Auswirkungen der Golfstrom-Zirkulation„Wir werden mehr Stürme erleben“

Die Ozeanographin Monika Rhein hat zum Golfstrom geforscht. In Bremen erklärt sie am Samstag, was unsere Emissionen mit dem Golfstrom zu tun haben.

Mit diesem Schiff war Monika Bergmann 2008 zur Forschung auf dem Atlantik Foto: Klaus Bergmann/dpa

taz: Frau Rhein, wie sieht der Alltag auf einem Forschungsschiff aus?

Monika Rhein: Wir müssen die Zeit, die wir auf dem Schiff bekommen, so gut wie möglich ausnutzen. Deshalb wird an Bord 24 Stunden am Tag gearbeitet. Das machen wir jeweils in Vier-Stunden-Schichten. Dadurch können dann während der gesamten Zeit, die wir auf dem Schiff sind, Messungen durchgeführt werden. Deshalb brauchen wir natürlich immer genug Menschen, die mit an Bord sind.

Klingt sehr arbeitsintensiv.

Ja, das ist es. Aber die Arbeit wird auch belohnt, weil wir Beobachtungen machen, die vorher noch niemand gemacht hat. Das ist wie Geschenke auspacken.

Wie messen Sie die Veränderungen im Golfstrom?

Bild: Uni Bremen
Im Interview: 

Monika Rhein, 66, ist Professorin für Physikalische Ozeanographie an der Universität Bremen. Bis 2011 hat sie auch an Bord zahlreicher Forschungsschiffe gearbeitet.

Wir beschäftigen uns nicht nur mit dem Golfstrom, sondern mit der gesamten Golfstrom-Zirkulation: Dabei strömt warmes, salzreiches Wasser nach Norden, gibt Wärme an die Atmosphäre ab, und abgekühlt ist es dicht genug, um in die Tiefe abzusinken. Als kalter Tiefenstrom fließt es dann zurück nach Süden. Wir benötigen Messungen vom Schiff aus, aber das allein reicht nicht aus. Wir hinterlassen deshalb auch Geräte am Meeresboden, die kontinuierlich in der gesamten Wassersäule messen. Diese kombinieren wir dann mit Satellitenmessungen und Beobachtungen von autonomen Tiefendriftern. Wir brauchen also sehr viele verschiedene Informationen, die wir kombinieren, um eine langjährige kontinuierliche Zeitserie der Stärke der Golfstrom-Zirkulation zu berechnen.

Was hat diese Zirkulation mit dem Klima zu tun?

Man kann in Klimamodellen die Golfstrom-Zirkulation völlig abstellen. Ein Europa ohne den Golfstrom wäre im Jahresmittel um mehrere Grad Celsius kälter, die Häfen Skandinaviens wären vereist. Diese Unterbrechung der Zirkulation ist in den letzten 1.000 Jahren nicht geschehen. Unsere Beobachtungen zeigen aber große Schwankungen der Zirkulation auf Zeitskalen von Monaten bis Jahrzehnten.

Wissen um 11: Der Golfstrom und das Klima. Vortrag von Monika Rhein: Sa, 23. 7., 11 Uhr, Bremen, Haus der Wissenschaft

Was heißt das konkret für Westeuropa?

Wenn sich die Klimaerwärmung fortsetzt, zeigen die Klimamodelle, dass die Golfstrom-Zirkulation abnehmen wird. Um wie viel, hängt davon ab, ob die globale Temperatur um mehr als 1,5 Grad Celsius steigen wird. Die Abnahme bedeutet für Westeuropa, dass sich das Klima nicht ganz so schnell erwärmen wird wie im Rest der Welt. Andererseits werden wir aber einen höheren Meeresspiegel haben und mehr Stürme und Sturmfluten erleben. Wie stark die Auswirkungen sein werden, hängt von unseren zukünftigen Treibhausgas-Emissionen ab.

Können die Auswirkungen eines sich ändernden Golfstroms abgefedert werden?

Die einzige Möglichkeit, das Absinken der Zirkulation zu stoppen, ist, die Klimaerwärmung unter 1,5 Grad zu halten. Je stärker die Klimaerwärmung, umso mehr wird sich auch die Golfstrom-Zirkulation ändern. Es liegt an uns, wie stark wir die CO2-Emissionen reduzieren können. Ich hoffe, wir kommen schnell zu einem CO2-freien Wirtschaften. Aber das ist natürlich sehr schwierig. Ich fürchte, wir müssen uns auf die Veränderungen einstellen.

Erfährt das Thema genug öffentliche Aufmerksamkeit?

Insgesamt erfahren der Klimawandel und seine Auswirkungen besonders seit Fridays For Future mehr Aufmerksamkeit. Es wird deutlich, dass es ein wichtiges Thema ist, das uns in den nächsten Jahrzehnten weiter beschäftigen wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • Durch die Erderhitzung lässt der Polarwirbel nach der beständig um die Arktis kreist (Polar Vortex) und da dieser dann immer wieder ausleiert nach Süden kommt es häufig zu kurzen Tiefdruckgebieten, die dann von Norden her der Hitze aus der Sahara entgegen kommen.