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Austritte aus dem InternatsverbundDie Schulen fliehen

Die Aufklärung der schrecklichen Vorgänge an der Odenwaldschule laufen nur schleppend. Mehrere renommierte Schulen ziehen jetzt Konsequenzen.

Das Internat Birklehof denkt darüber nach, aus der Vereinigung der Landerziehungsheime auszutreten. Bild: dpa

BERLIN taz | Stell dir vor, es ist Bundesliga – und Bayern München spielt nicht mehr mit. Was im Fußball unvorstellbar wäre, trägt sich gerade bei der Vereinigung der Landerziehungsheime (LEH) zu. Die Schule Schloß Salem hat vor wenigen Tagen ihren Austritt aus den LEH erklärt. Damit fehlt dem Landerzieher-Verbund von 21 Schulen ab sofort seine prominenteste Einrichtung. Weitere wichtige Internate wie Louisenlund oder Birklehof denken nach Informationen der taz über den selben Schritt nach.

Grund für die bevorstehende Austrittswelle ist "der desolate Umgang der Odenwaldschule mit den Opfern der jahrelangen sexuellen Gewalt", sagte der Leiter der berühmten Schule Birklehof in Hinterzarten, Christof Laumont, der taz. Laumont will noch abwarten, was das Jahrestreffen der LEHs Ende Oktober ergibt. Falls dort die Odenwaldschule nicht aus dem Verband ausgeschlossen wird, werde er dem Verwaltungsrat des Birklehofs gleichfalls den Austritt vorschlagen.

In den Landerziehungsheimen versammeln sich die um 1900 gegründeten Reformschulen von Leuten wie dem Nationalisten Hermann Lietz, dem Nazi-Gegner Otto Hahn und dem demokratischen Erziehungsesoteriker Paul Geheeb.

Internat Schloß Salem ist schon raus

Die Schule Schloß Salem hat den Austritt aus dem Internateverbund bereits vollzogen. Vor wenigen Tagen kündigte Robert Leicht, der Vorsitzende der teuren Internatsschule in Baden-Württemberg, dem LEH-Verband die Zusammenarbeit auf. "Der Umgang der Odenwaldschule mit ihrer jüngsten Geschichte und deren Opfern belastet uns zunehmend", sagte Leicht der taz.

Die Leiterin der LEH-Vereinigung Erika Risse bedauert den Austritt Salems. "Ich finde das sehr schade. Es kann sein, dass es Salem nicht gefallen hat, ständig in einem Atemzug mit der Odenwaldschule genannt zu werden."

In der Tat hat Salem besonders missfallen, wie die Führung der Landerziehungsheime auf das historische Enthüllungsbuch von Jürgen Oelkers reagiert hatte. Der Züricher Bildungshistoriker hatte in "Eros und Herrschaft" gezeigt, wie tief der Missbrauch in die Pädagogik der Landerziehungsheime eingeschrieben ist. "Man kann diese Debatte nicht abwehren, man muss sie selbstkritisch führen", sagte Leicht nun. Der LEH-Verbund zeichne sich aber durch "verschwiemeltes Herumtrucksen" aus.

So hatte die LEH-Vorsitzende Risse nach dem Oelkers-Buch in einem Brief ihre Mitglieder zum Widerspruch aufgefordert. Sie sollten pädagogische Innovationen benennen, welche die Landerziehungsheime in die Fläche getragen hätten. In den 21 LEH-Schulen war dies widersprüchlich aufgenommen worden. Ein Teil sprach von einer naiven Verzweiflungstat – andere nannten die Umfrage legitim.

Risse hat indes eine eigene Geschichte der LEHs in Auftrag gegeben, die allerdings erst im Dezember fertig wird – dann wird es die Vereinigung der deutschen Landerziehungsheime womöglich nicht mehr geben.

Schockiert über den Umgang mit Odenwald

Der hinhaltende Umgang der Odenwaldschule mit den Opfern der sexuellen Gewalt erzürnt indes viele Leiter von LEH-Schulen. Sie sind schockiert, wenn sie von Angesicht zu Angesicht erfahren, wie beinahe 20 Jahre lang Kinder und Jugendliche an der Odenwaldschule systematisch in die Falle gelockt, missbraucht und vergewaltigt wurden. "Es hat mich zu Tränen gerührt, was ich gehört habe", sagte ein Internats-Leiter nach einem Treffen mit Opfern. "Wenn die Nähe zum Kind für solche Taten missbraucht wird, dann ist unser Erziehungskonzept ins Herz getroffen. Das muss man kritisch diskutieren und darf es nicht abwehren."

Im Verein "Glasbrechen" für Aufklärung und Entschädigung begrüßte man, dass endlich aus den Reihen der Landerziehungsheime Druck auf die Odenwaldschule gemacht werde. "Diese Solidarität tut uns, den Opfern, gut. Es ist eben jene Solidarität, jene Empathie, auf die wir seitens der Odenwaldschule immer noch warten. Im übrigen: Warum ist diese Schule immer noch UNESCO-Modellschule? Kleine Frage am Rande", sagte der Vorsitzende von Glasbrechen Adrian Koerfer der taz.

"Glasbrechen" hatte erst vor wenigen Tagen mitgeteilt, dass die Zahl der Opfer allein an der Odenwaldschule wohl bei 400 bis 500 liege und damit weit über die bisher bekannten 132 Fälle hinausgeht.

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5 Kommentare

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  • V
    VERO

    @Insider

     

    Wenn Insider der Odenwaldschulgeschehnisse, dann bitte bei der Wahrheit bleiben.

     

    Es ist nicht die Schulleitung die eine Politik der verbrannten Erde betreibt, sondern der Vorstand des Trägervereins (Eigentümer).

  • I
    insider

    der mißbrauch von damals ist eine sache...

    die aufarbeitung eine andere.

    die schulleitung hat es durch den umgang mit den medien fertig gebracht eine schule an die wand zu fahren.

    ermöglicht haben es ihr die noch verbliebenen pädagogen, denen hemd näher als hose ist.

    saublöd, daß das hemd jetzt zerrissen ist...

  • UL
    Ulrich Lange

    Verlassen jetzt die Ratten das sinkende Schiff?

     

    Die Austrittswelle aus der Vereinigung Deutscher Landerziehungsheime (DLEH), die von der taz vorausgesagt wird, erscheint bei nüchterner Betrachtung wenig plausibel. Sie hatten und haben doch alle Leichen im Keller, diese Sonderschulen der Reichen und Einflussreichen. Die Odenwaldschule als einstiges Flagschiff der Reformpäda-gogik ist nur aus dem Olymp der (Selbst-)Überschätzung und (Selbst-) Beweihräucherung besonders unsanft und tief auf den harten Boden der Tatsachen gefallen. Jetzt muss sie den Sündenbock spielen, denn nichts fürchten die stets unterfinanzierten Schulen der Geldelite mehr als einen „schlechten Ruf“, der die zahlende Kundschaft vertreibt.

    Salem, das sich jetzt als erstes distanziert, war über Jahrzehnte das unrühmliche Symbol für Drogenprobleme und Disziplinlosigkeit und mit seinem „verschmiemelt-verdrucksten“ Eliteanspruch die Zielscheibe medialen Spotts. Sein Gründer, der übrigens K u r t Hahn hieß (Otto Hahn war der Vater der Kernspaltung), war mindestens so exzentrisch wie die übrigen Heimschul-Gründer. Er hatte zwar fast überall (Oxfort, Berlin, Heidelberg, Freiburg, Göttingen usw.) studiert, aber nirgendwo ein Examen abgelegt. Als Pädagoge war er Autodidakt, und so lesen sich auch seine „verschwiemelten“ Vorstellungen vom „Schulstaat“, die er nach Art des Freiherrn zu Guttenberg von Plato abgekupfert und nach Hartmut von Hentigs Meinung vollkommen missverstanden hatte. Kritische Biografen schildern Hahn als manisch-depressiv. Das ganze Gewese um einen angeblichen Sonnenstich, die ständigen Kopfschmerzen und die Gehirnoperation im Jahr 1912 hätten nur als Legende gedient, um von der psychischen Krankheit abzulenken.

    In den Zeiten des Niedergangs und der Krisen in Salem hat man übrigens nichts von einer Entsolidarisierung der übrigen Mitgliedsschulen des LEH-Verbandes gelesen.

  • E
    Ex-Odenwaldschüler

    Die Odenwaldschule muss noch vielmehr zu verbergen haben als man nur annähernd weiss und sich weiterhin denken kann.Sie hat also noch wesentliches zu verbergen ,denn sonst hätte sie in ihrem eigenen Interesse an der Aufklärung aktiv mitgearbeitet statt zu verschleiern und zu schweigen.Was muss sie verbergen?Bekannte Namen?Geld?Weitere Schandtaten?

  • RF
    Rosemarie Finke-Thiele

    Endlich !

    Endlich kommen deutliche erkennbare Reaktionen für die missbrauchten Schülerinnen und Schüler aus der Odenwaldschule von anderen LEH- Schulen bzw. Internaten.

    Ich warte immer noch auch auf eine deutliche Stellungnahme der Laborschule Bielefeld, die von Hartmut v. Hentig gegründet wurde und an der Gerold Becker kein Unbekannter war.

    Mein Mitgefühl und meine Achtung gilt den Menschen, die sich oft nach langem Zögern laut und deutlich zu Wort gemeldet haben.

    Die Odenwaldschule muss sich endlich auf die Seite

    ihrer ehemaligen Schutzbefohlenen stellen. Unmissverständlich!