Austritt aus AfD-Bundestagsfraktion: Demokratie oder AfD
Der AfD-Abgeordnete Lars Herrmann verlässt Partei und Fraktion. Wenn der demokratische Staat will, kann er Rechtsextreme erfolgreich bekämpfen.
Sie kennen den Song von den 10 kleinen Jägermeistern? Das etwas unsympathische Sauflied der Toten Hosen handelt von einer Truppe deutscher Hirsche, die nach und nach das Zeitliche segnen oder sich anderweitig verabschieden. Im Refrain heißt es „Einer für alle, alle für einen / Wenn einer fort ist, wer wird denn gleich weinen?“ Ob dieser deutsche Schunkel-Klassiker auf den Weihnachtsfeiern der AfD-Fraktion im Bundestag gespielt wird, ist nicht überliefert. Passen würde er allerdings. Derzeitiger Stand: Da waren’s „nur“ noch 90.
Nachdem Bundesinnenminister Seehofer gemeinsam mit dem Verfassungsschutz (BfV) und dem Bundeskriminalamt (BKA) auf einer Pressekonferenz am vergangenen Dienstag eine angebliche härtere Gangart gegenüber Rechtsextremen (auch in der AfD) ankündigte, beschloss der AfD-Abgeordnete und Bundespolizist Lars Herrmann sowohl die Fraktion als auch die Partei zu verlassen: BfV-Präsident Thomas Haldenwang verwies bei dem gemeinsamen Auftritt mit Seehofer nämlich ganz gezielt auf die jüngst eingerichtete Zentralstelle für Fälle von Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst.
Dies zumindest die offizielle Version der AfD. AfD-Fraktionspressesprecher Christian Lüth sagte, man gehe davon aus, „dass der Druck von Horst Seehofer auf Beamte – in seinem Fall Polizeibeamte – Wirkung gezeigt hat“. Es handele sich um eine „rechtswidrige Schikane“. Das Ganze sei äußerst bedauerlich, „zumal die AfD alle Beamten, die sich Schikanen ausgesetzt sehen, nach Kräften unterstützt“. Bis hierhin ist es der übliche Opfer-Mythos der AfD. Nach Frauke Petry, Mario Mieruch und Uwe Kamann braucht man in der Fraktion offenbar keinen vierten Abgeordneten der „Gemäßigten in der AfD“, der sich davonschleicht.
Herrmann selbst hatte allerdings auch noch etwas anderes zu sagen. So erklärte er gegenüber dpa und Spiegel, dass er wegen seiner Kritik an Björn Höcke aus der Landesgruppe Sachsen im Bundestag ausgeschlossen worden sei. Und zwar ohne auch nur angehört zur werden. „Das war für mich der Zeitpunkt, um zu sagen, dass mich hier nichts mehr hält. Mit ihrer Entscheidung haben sie es mir leicht gemacht, adieu zu sagen“, so Herrmann. Die Arbeit als Bundespolizist sei mit dem aktuellen Kurs der Partei nicht mehr vereinbar. Ja, was denn nun?
Herrmann fällt den ehemaligen Fraktionskameraden nicht komplett in den Rücken. Ausschlaggebend sei für ihn ebenfalls die Pressekonferenz von Seehofer gewesen, auf welcher der „Flügel“ der AfD als rechtsextremistisch eingestuft wurde, erklärt er. „Als Beamter habe ich auch Pflichten. Diesen werde ich gerecht.“
Warum auch immer der Polizist nun aus der Partei ausgetreten ist, vermeintliche Schikane, verspätete Gewissensbisse oder die Angst, nun endlich von seinem Arbeitgeber damit konfrontiert zur werden, dass ein Bundespolizist nichts in einer rechtsextremen Partei zu suchen hat – eines zeigt der Vorgang mehr als deutlich: Wenn der Staat seine Instrumente nutzt, könnte man der wachsenden Verrohung in- und außerhalb der Parlamente etwas entgegensetzen. Man muss nur wollen. Und das ganz ohne die üblichen Unkenrufe nach einem repressiven Staat. Es reicht, sich an das Grundgesetz zu halten.
Nährboden schon immer vorhanden
Der Nährboden für rechtsextreme Positionen war in Deutschland schon immer vorhanden. Durch das konsequente Ausschließen und Ächten der Fraktionen von DVU, NPD oder REPs, konnten Neonazis jedoch nie wirklich maßgebliche parlamentarische Erfolge erzielen, auch wenn sie gerne mal vom VS gepampert beziehungsweise unterwandert wurden.
Der aktuelle Höhenflug der AFD liegt vor allem daran, dass die Partei von Medien, Politikern und eben auch Staatsorganen in den Diskurs geholt wurde. Sie wurde konsequent salonfähig gemacht, hofiert, eingeladen. Nicht zuletzt durch unfassbare Personen wie Hans-Georg Maaßen.
Das Verbotsverfahren der NPD scheiterte damals übrigens an der richterlichen Begründung, die Partei habe nicht genug Potenzial. Inzwischen gibt es erneut eine Partei, die NPD-Inhalte verbreitet. Ihr Potenzial ist bekannt.
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