Australian Open: Zurück aus der Hölle
Jelena Dokic, einst unter den Top Ten, gewinnt nach sechs Jahren wieder ein Spiel bei den Australian Open. Aus dem Kind eines durchgeknallten Tennispapas ist eine kämpferische Frau geworden.
Jede Spielerin kennt die kleinen Täler, jede fühlt sich manchmal allein, und es soll bloß niemand glauben, es sei leicht, sich in der kalt glänzenden Welt des Planeten Tennis zurechtzufinden. Kleine Täler? Kälte? "Ich bin durch die Hölle gegangen", sagt Jelena Dokic, 25.
Sechs Jahre nach dem letzten Sieg gewann die in Serbien geborene Australierin in Melbourne ein Spiel bei einem Grand-Slam-Turnier, und dieses kaum noch erhoffte Erlebnis setzte Emotionen frei. Als sie nach dem Sieg gegen die in der Weltrangliste weit vor ihr stehende Österreicherin Tamira Paszek gefragt wurde, wie schwer es für sie gewesen sei, den Weg zurück zum Tennis zu finden, gab sie zur Antwort: "Ich denke, es war offensichtlich, dass ich mit anderen Dingen beschäftigt war. Ich habe zwei Jahre lang gegen schwere Depressionen gekämpft, habe monatelang nicht gespielt und daran gedacht, es überhaupt nicht mehr zu tun. Es gab so viele Probleme in der Familie. Der Sieg ist wie ein Wunder für mich, und ich glaube nicht, dass allzu viele Leute wissen, was mir das alles bedeutet." Dann standen Tränen in ihren Augen.
Genau zehn Jahre sind seit ihrem ersten Auftritt vergangen, damals, als sie noch nicht mal 16 war. 1994 war sie mit ihren Eltern aus Serbien nach Australien ausgewandert, hatte bald danach für das neue Land gespielt und auf Anhieb Furore gemacht. Viele sahen in ihr ein neues Wunderkind, aber die positiven Schlagzeilen versiegten bald, denn immer öfter machten Nachrichten über die Eskapaden ihres gewalttätigen Vaters Damir die Runde. Der legte sich mit allen an, die ihm in die Quere kamen, und Jelena stand unglücklich, eingeschüchtert und ratlos zwischen den Fronten.
Als der Vater den Offiziellen der Australian Open 2001 Manipulationen bei der Auslosung zulasten seiner Tochter vorwarf, wurde er vom Verband zur Persona non grata erklärt. Damir Dokic fand, das müsse er sich nicht bieten lassen, verließ wutschnaubend das Land und schleppte die Familie nach Serbien zurück. Heute sagt Jelena über diese Zeit: "Ich musste so viel aushalten, als mein Vater noch auf der Tour dabei war, all seine Ausbrüche. Ich war so jung und hatte keine Ahnung, was los war. Ich hab mit einem riesigen Gewicht auf den Schultern gespielt und bin daran mit 19 irgendwie zerbrochen." Im August 2002 erreichte sie zwar noch Platz vier und damit die beste Position auf der Weltrangliste, danach gab es kein Halten mehr. Es dauerte noch drei harte Jahre, bis sie die Kraft fand, sich von ihrem Vater loszusagen. Sie verließ die Familie in Serbien und zog mit ihrem Freund Tin Bikic wieder nach Australien. Bis heute hat sie nie wieder ein Wort mit ihrem Vater geredet. Da saß sie dann wieder in der Sonne, hatte irgendwie alles richtig gemacht und fühlte sich trotz der Unterstützung des Freundes erbärmlich allein. Sie vermisste Mutter und Bruder, und auch auf dem Tennisplatz fühlte sie sich fremd und allein. Sie verlor immer öfter.
Ende 2006 stand sie auf Platz 621 der Weltrangliste, und sie fand, dass das so alles keinen Sinn mehr habe. Ein ganzes Jahr lang zog sie sich vom Tennis zurück, aber es ging ihr zunächst kein bisschen besser. Monatelang kämpfte sie vergeblich gegen schwarze Gedanken, gegen ihr Gewicht, gegen alles. Doch sie beschloss, es noch einmal mit dem Tennis zu versuchen, und begann Punkte bei den kleineren Turnieren der Welt zu sammeln. Viele, die sie in der Zeit spielen sahen, zweifelten daran, dass sie noch mal Erfolg haben würde; zu weit schien sie sich von der Form früherer Tage entfernt zu haben, zu leer wirkte ihr Blick.
Ende des vergangenen Jahres sicherte sie sich mit dem Sieg bei einem Turnier des australischen Verbandes eine Wildcard für die Australian Open, und so kam es, dass sie nun tatsächlich zum ersten Mal nach sechs Jahren bei einem Grand-Slam-Turnier wieder ein Spiel gewann. Was jetzt noch kommt, zunächst in der zweiten Runde am Mittwoch gegen die favorisierte Russin Anna Tschakwetadse, ist Zugabe.
Jelena Dokic ist darauf eingestellt, dass es noch eine Weile dauern wird, bis sie wieder ein halbwegs stabiles Niveau erreicht haben wird. Aber sie sagt, sie habe Zeit. "Tennis macht mir wieder Spaß. Das hat nichts mit der Rangliste, Geld oder sonst was zu tun. Ich liebe dieses Spiel, wo auch immer das alles enden wird, auf Platz 50, 20 oder 10. Ich bin glücklich, wenn ich noch ein paar Jahre spielen kann". Die Hölle liegt hinter ihr, und Täler machen ihr keine Angst.
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