piwik no script img

Ausstellungsempfehlung für BerlinDer Heptaeder der Yasmine d'Ouezzan

Künstler Saâdane Afif knüpft Geschichten um eine Billiardmeisterin, auch gemeinsam mit Katja Schlegel. Die taz sprach mit der Modedesignerin.

Das Portrait der Yasmine d'Ouezzan im Zentrum der Installation von Saâdane Afif bei Mehdi Chouakri Foto: Ludger Paffrath, Berlin
Sophie Jung
Interview von Sophie Jung

Zunächst scheint es zwischen den Dingen in der Galerie von Mehdi Chaouakri keinen Zusammenhang zu geben: Ein großformatiges Portrait einer Dame, eine Vitrine mit geometrischen Figuren, ein Flachbildschirm, der in 49 englischen Übertiteln ein Theaterstück abspult, sieben Sitzpolyeder.

Doch zwischen ihnen zieht Saâdane Afif Linien. Da gibt es etwa die mathematische, die in der wiederkehrenden Zahl Sieben zu finden ist. Da ist die der Formen, die zwischen den Figuren der Vitrine und den Stühlen – eigentlich geometrische Überzeichnungen eines Designs von Minimal Artist Donald Judd – zu legen ist.

Und alle laufen in der Person der Yasmine d'Ouezzan zusammen, Tochter eines Marrokkaners und einer Französin, Starlet der 1930er-Jahre und erste Billiardmeisterin Frankreichs. Yasmine d'Ouezzan nutzte den Kolonialimus ihrer Zeit, um eigene Mythen um ihre exotische Identität zu entwickeln.

Um sie spinnt nun Saâdane Afif einen ganzen Kosmos aus Fiktion und Realität, historischer Aufarbeitung und Kreativität. Sie ist Hauptfigur im übertitelten Theaterstück, das niemals aufgeführt wurde, für dessen Charaktere Saâdane Afif aber gemeinsam mit der Modedesignerin Katja Schlegel (s.u.) bereits eine Modekollektion entworfen hat.

Die Ausstellung

Saâdane Afif, "Übertitel: Der Heptaeder", Galerie Mehdi Chouakri. Bis 11.1. Di–Sa 11–18 Uhr, Fasanenstr. 61

Schlegel ist wie der Autor des Stücks Thomas Clerc eine von vielen Künstler:innen, die Afifs Figuren und Formen weiter verflechten. Figuren und Formen, die einen schließlich selber umwickeln, wird man in der Galerie zur stillen Darsteller:in auf der Bühne oder läuft man vielleicht zufällig an Schlegels Shop mit der Kollektion vorbei.

Einblick (801): Katja Schlegel

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Die Kollektion

Katja Schlegel & Saâdane Afif: "Solid Figures". Starstyling, Mo–Sa, 11-19 Uhr, Mulackstr. 15

Katja Schlegel: Ganz ehrlich? Die kleine Wanderung gestern um den Hellsee: Die Natur, der Wald und die Gerüche dessen sind für mich immer das größte Wunder. Im Moment ist der Himmel dicht-grau, der Boden rotbraun von den herunterfallenden Buchenblättern. Und die Birken flashen in grellem Gelb, moosiges Grün dazwischen. Stille. Alles steht auf Rückzug.

Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?

Bild: ©Katja Schlegel
Im Interview: 

Katja Schlegel ist Mitbegründerin und Designerin von „starstyling“. Vom Kostümbild kommend, betreibt sie zusammen mit ihrem Mann seit rund 20 Jahren das Mode-Label. „Starstyling“ widmet sich der Beobachtung und kritischen Reflexion von gesellschaftlichen Trends und verarbeitet dies mit subtiler Ironie und den Elementen von Streetwear zu farbenfrohen und schillernden Designs. Die jetzige Winterkollektion „solid figures“ entwarf Schlegel in Zusammenarbeit mit Saâdane Afif. Zu sehen ist die Kollektion, die auf Charakteren eines Theaterstücks beruht.

Ich gehe nur ab und an aus. Wenn, dann mal ins Berghain (ja, gähn!), wenn da ein/e befreundete/r Künstler/in spielt: Abtauchen in eine Parallelwelt, so laut, dass es im Körper wackelt. Ansonsten kann ich nur empfehlen, mal wieder mit Freunden die Rocky Horror Picture Show nachzuspielen: Kostüm, Make-up, Requisiten, Tanzen, Singen, in andere Rollen schlüpfen.

Welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?

Im Moment lese ich „Brüder“ von Jackie Thomae. Ein Roman über Brüder, die nichts voneinander wissen. Wie werden wir zu den Persönlichkeiten,die wir sind? Ost-West-Gesellschaft, Rassismus, Gender. Leicht und tief. Neben der Badewanne liegt all-time favorite Benjamin von Stuckrad-Barre.

Was ist dein nächstes Projekt?

Mich mit meinen zwei Strickmaschinen zu beschäftigen. Neue Technik, neue Welt: Wie kann ich Strick in die „Starstyling“-Designs ­integrieren ohne Strickdesign zu machen? Eingehender über die Sinnhaftigkeit von Mode, Trends, Bewegungen nachdenken. Was kann ich in meinem Umfeld Sinnvolles leisten, ohne die Freude daran zu verlieren?

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?

Das Erdnussbutterbrot mit Sauerkirschmarmelade am Morgen (nur die eine Erdnussbutter aus Holland: „Calve“ Pindakaas!). Der Geruch in meinem Atelier: eine Mischung aus Wolle, Maschinenöl, Farbe und Räucherstäbchen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!