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Ausstellungsempfehlung für BerlinRaumsteigernde Malerei

Magic Beans zeigt Malerei von Claudia Chaseling: in raumgreifenden und mikroskopischen Dimensionen. Die taz sprach mit der Künstlerin.

Claudia Chaseling, „devolution“, 2017, ink, aluminium and egg tempera on wall, floor and ceiling, 325 cm x 665 cm x 450cm, Installationsansicht Foto: mock-up berlin; Courtesy Claudia Chaseling
Noemi Molitor
Interview von Noemi Molitor

Claudia Chaselings Ausstellung „Site-Mutative Painting“ ist ein Ereignis im vielfachen Sinne: Wände und Böden bei Magic Beans fungieren als Bildträger für die Arbeit „devolution“ (2017). In die Farbfelder dieses vor satten Farben strotzenden Spatial Paintings hat die Malerin unter anderem Aluminium eingearbeitet. Es scheint sich gleichsam von der Wand zu katapultieren und tief in sie einzuschmiegen.

Der Dreidimen­sio­nalität des Raumes tritt die Illusion dieser freischwebenden, die Richtung wechselnden Farben und Materialien entgegen. Einen derart gesteigerten Bildraum zu betreten, ist Teil einer visuellen Situation, in der die Malerei direkt auf den architektonischen Raum und alle Beteiligten wirkt und die Trennung zwischen Kunstwerk und den Betrachtenden zum Schwanken bringt. Den Effekt, der durch dieses Farbereignis aus Einschluss und Freisetzung entsteht, beschreibt Chaseling empathisch als „Ummantelung“.

Dass den Arbeiten noch eine andere, existenzielle Ebene unterliegt – eine intensive künstlerische Recherche über die Langzeiteffekte von Uranmunition –, lässt den Malexzess schließlich als Filter erscheinen, über den Strahlenverseuchung als etwas thematisiert wird, das man auf Anhieb nicht sehen kann, unter leuchtenden Oberflächen nicht und auch im Kleinen nicht.

Die Serie „small paintings“, zu Miniatur-Gemälden transformierte Postkarten, spielt mit der Ansichtskarte als Momentaufnahme, als Erinnerungsobjekt in Bewegung. Durch Chaselings Übermalung werden sie zu Mikrokosmen der Farbdichte: kondensierte Happenings, die die Größenverhältnisse des wahrnehmbaren Bildraums an der Wand und die des imaginativen Bildraums im Kopf aus den Fugen kippen lässt.

Einblick: Claudia Chaseling, freischaffende Künstlerin

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Claudia Chaseling: Mich hat die von David Elliott kuratierte Ausstellung „Balagan!!!“ im Max Liebermann Haus begeistert. Die Werke waren intelligent, politisch und hatten Humor. Auch die Folgeausstellung „Hero Mother (beyond Balagan!!!)“, von Rachel Rits-Volloch und Dr. Bojana Pejic kuratiert, enthielt starke Werke im Kunstquatier Bethanien und Momentum und haben sich mir eingeprägt.

Ort + Zeit

Magic Beans Galerie

Mi.–So. 12–18 Uhr, bis 5. 11.

Auguststr. 86

Ich gehe gerne zu den regelmäßigen Freehome Wohnungsausstellungen des Künstlers Vadim Zakharov in Schöneberg. Im privaten Bereich gelingt es Vadim als Künstlerkurator klare Ausstellung zu präsentieren und spannende Dialoge zu initiieren. An diesen Eröffnungen finden immer interessante Gespräche statt, – das ist wertvoll.

Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?

Ich wollte gerne auf das DAF Konzert gehen, war aber leider an diesem Wochenende wieder nicht in Berlin. Wenn es mal passiert, dass wir mit Freunden herum ziehen, landen wir öfters im Kumpelnest. Meistens aber sind es private Dinnerparties zu denen wir gehen, oder einladen.

Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?

Ich lese immer ein paar Bücher parallel. Momentan Howl, Kaddish and Other Peoms“, einen Gedichtband von Allen Ginsberg). Obwohl diese Gedichte vor 60 Jahren geschrieben wurden, haben sie doch viel mit unserer Zeit zu tun. Von Jean Baudrillard lese ich Die Illusion des Endes. Es geht um die 'Rückentwicklung’ der Menschheit die der Autor erahnt. Um eine 'Involution’ anstelle der Evolution.

Im Interview: Claudia Chaseling

Claudia Chaseling lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Berlin und Canberra. Sie studierte bei Professor Marwan in Berlin (UdK) und an der Australian National University (ANU) in Canberra, Australien und schloss ihr Studium mit dem Meisterschülertitel beider Universitäten ab. An der ANU promoviert Claudia Chaseling mit einer Doktorarbeit über mehrdimensionale Malerei und zur Frage, wie abstrakte Malerei kommuniziert.

Internationale Ausstellungen, unter anderem: 45cbm, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden; Lulea Art Biennale, Schweden; sowie X-Border Biennale, Rovaniemi, Finnland. Chaselings Monographie "Spatial Painting" wurde 2016 beim Verlag für zeitgenössische Kunst und Theorie veröffentlicht.

Von Naomi Klein und Noam Chomsky habe ich mir auch gerade wieder Literatur besorgt und freue mich aufs lesen. In Douglas Davis Art Culture lese ich immer wieder rein.

Zeitungen und Magazine lese ich meistens online wobei ich versuche verschiedene Quellen und Meinungen abzudecken. Es ist kaum zu glauben, wie unterschiedlich ein und das selbe Thema oft berichtet wird.

Was ist dein nächstes Projekt?

Ich entwickle zur Zeit die letzten Entwürfe für meine Einzelausstellung in der Wollongong Art Gallery in Australien, die Ende Oktober eröffnet wird. In diesem Spatial Painting geht es thematisch und formal um radioaktive Kontaminierung durch Waffen mit abgereichertem Uran. Fakten zu diesen Thema werden immer noch vertuscht. In diesem Bild versuche ich die Balance zwischen dieser unsichtbaren zerstörerischen Kraft und Informationsfluss zu finden.

In meinem Atelier arbeite ich auch an weiteren oviform paintings. Inhaltlich beschäftigen sie sich mit demselben Thema, sind aber Malereien auf ovalen Leinwänden. Die Ovale sind an einem Ende schmaler als an dem anderen. Optisch springt Dir also die breitere Seite entgegen, obwohl die Arbeit flach an der Wand hängt und beinhaltet umgekehrte Perspektive.

Diese Leinwände sind nun eine formale Brücke zwischen meinen Spatial Paintings im Raum und den transportablen Malereien auf Bildträgern. Weiter Projekte sind meine Einzelausstellung in der Yuill Crowley Gallery in Sydney und die Lorne Sculpture Biennial in Victoria.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?

Ich mag Alltag. Mein Mann, der Künstler Milovan Destil Markovic, und ich verbringen viel Zeit zusammen, wenn nicht einer von uns auf Kunst-Tournee ist. Abends kochen wir fast immer zusammen und plaudern. Ich liebe es Schwimmen zu gehen. Nach dem Schwimmen bin ich stets grundlos Vergnügt, dazu habe ich oft gute Ideen im Wasser.

Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer donnerstags in der Printausgabe der taz.

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