Ausstellung zur Ukraine: Krieg im Glaskasten
Eine Ausstellung im U-Bahnhof Alexanderplatz will die Situation ukrainischer Schulkinder abbilden. Die Reaktionen der Passant*innen sind gemischt.
Bunte Schmetterlinge, Malereien und Poster hängen an einer weißen Wand. Davor stehen einige Tische, auf denen Hefte, Brotboxen und Federmäppchen verstreut liegen. „Lernen im Krieg“ steht mit Kreide auf einer Schultafel geschrieben, oben auf Ukrainisch, darunter auf Deutsch. „Sind da jetzt auf ernst Kinder drinne?“, fragt ein Jugendlicher beim Vorbeigehen seine Freunde.
Die Szenerie lässt sich im U-Bahnhof Alexanderplatz betrachten – sie soll die Umstände abbilden, unter denen viele Kinder in der Ukraine seit einigen Jahren lernen müssen. Dort finden seit der russischen Invasion 2022 Schule und das Spielen mit Gleichaltrigen oftmals unterirdisch in U-Bahn-Stationen statt, um vor Angriffen geschützt zu sein.
Verantwortlich für die Ausstellung ist das Kinderhilfswerk Unicef, das damit auf die andauernde Situation aufmerksam machen und zu Spenden animieren will. Auf dem Glaskasten, der das menschenleere Klassenzimmer umhüllt, liest sich: „Es ist nicht ihr Krieg. Aber ihr Leben“ und „Kindheit braucht Frieden“.
Passantin
Fraglich bleibt jedoch, welche Wirkung Unicef bei den Berliner*innen, die schließlich einiges zu sehen bekommen, damit erzielen kann. Der Schaukasten zieht die Blicke vieler Passant*innen auf sich, die auf ihrem Weg von oder zur U2 unweigerlich daran vorbeikommen – nur die wenigsten fühlen sich jedoch bewegt, einen Moment anzuhalten und sich die Ausstellung genauer anzusehen.
Gemischte Reaktionen
Zu den wenigen gehören immerhin zwei alte Damen, die vor dem Schaufenster stehenbleiben, ihre Augen über die Tische schweifen lassen und sich die Informationen durchlesen, die auf den an den Wänden angebrachten Bildschirmen abgespielt werden. „Erstaunlich, wie zivilisiert so ein Klassenzimmer noch aussieht, hätte ich nicht gedacht“, wundert sich eine der beiden. Nach kurzem, andächtigem Innehalten geht es dann auch für sie weiter.
„Das ist doch alles Propaganda“, ruft ein vorbeigehender Mann. Die Installation interpretiert er anscheinend als Bemühung, die Menschen in Deutschland kriegstüchtig zu machen: „Die Kinder sehen das dann alles, mit Krieg und so. Merz muss weg!“, fordert er, schaut um sich und wartet auf Reaktionen, die ihm niemand geben will.
In anderen Fällen schafft es die Ausstellung aber doch, Austausch zwischen Fremden anzuregen. Ein Mann geht auf einen Sicherheitsangestellten der BVG zu, der mit der Überwachung des Klassenzimmers betraut ist, und fragt, was es denn damit auf sich habe. „Viel passiert hier nicht“, antwortet der Security-Mitarbeiter. „Wenn sie meine Meinung hören wollen: Da wird jetzt halt was hingestellt, um ein bisschen Präsenz zu zeigen.“
Er führt fort und erklärt seine Frustration mit der deutschen Russlandpolitik: „Wir heizen den Krieg immer weiter an, dabei würde nur Diplomatie helfen“, ist der Security-Mann überzeugt. In der DDR, wo er aufgewachsen sei, da sei der Frieden noch Staatsdoktrin gewesen – heute sei das ganz anders. „Ellbogengesellschaft“, konstatiert sein Gesprächspartner, bevor sich die beiden trennen.
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