■ Ausstellung zum Kongreß: Täter und Opfer werden vermischt
Langweiliger läßt sich ein spannendes Thema kaum präsentieren. „Terror und Exil“ ist die Ausstellung überschrieben, die eigentlich einen der interessantesten Abschnitte der deutschen Geschichte zum Gegenstand hat. Anläßlich des Mathematik-Kongresses zeigt die TU das Schicksal von 50 Mathematikern während des Nationalsozialismus. Ihre Lebensläufe präsentieren die Ausstellungsmacher auf unscheinbaren, extrem textlastigen Papptafeln in englischer Sprache. Die Menschen hinter diesen Biographien bleiben genauso abstrakt wie die Mathematik selbst.
Wer sich von der trockenen Darstellungsweise nicht abschrecken läßt, stößt jedoch auf interessante Wissenschaftler. Die meisten von ihnen waren Juden, die allein deshalb im Dritten Reich ihren Beruf nicht ausüben durften. Viele von ihnen emigrierten schon bald nach 1933. Das Exil wurde für manche aber auch zur Qual.
Der Ordinarius für Mathematik an der damaligen Berliner Universität, Issai Schur, etwa ging unter dem Druck der Nazis 1935 in den Ruhestand. 1939 emigrierte er nach Palästina, wo er schon zwei Jahre später starb. Die näheren Gründe läßt die Ausstellung offen. Deutschland verlor damit nicht nur einen bedeutenden Mathematiker, sondern auch einen begnadeten Lehrer. Die Vorlesungen des Professors waren überlaufen. Elf seiner Schüler emigrierten ebenfalls.
Welche Bedeutung der Verlust von zahlreichen renommierten Wissenschaftlern für die deutsche Mathematik hatte, erläutert die Ausstellung nicht. Wichtige Fragen bleiben damit unbeantwortet.
Auch bei der dunklen Seite der Vergangenheit ihrer Zunft kommen die Ausstellungs-Initiatoren – die beiden Mathematikprofessoren Jochen Brüning (Humboldt-Uni) und Dirk Ferus (TU) sowie der Berliner Historiker Reinhard Siegmund-Schultze – nicht über die guten Absichten hinaus. Die Darstellung der Rolle der Täter ging leider völlig daneben: Ganz unvermittelt tauchen inmitten der Papptafeln der verfolgten und ermordeten Mathematiker die Wissenschaftler auf, die „deutsche Mathematik“ unter rassistischen Aspekten betrieben und von der Vertreibung ihrer Kollegen profitiert haben. Ein Beispiel ist der antisemitisch eingestellte Theodor Vahlen, der aufgrund seiner mittelmäßigen Leistungen nie eine Professur bekommen hätte. Unter den Nazis wurde er jedoch Direktor des Mathematik-Institutes der Berliner Universität und Präsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
Ziel der Ausstellung sei es, erläuterte Professor Dirk Ferus gestern, sich „vor den Opfern zu verneigen“. Diese hehre Absicht geht durch die mißlungene Umsetzung leider fast verloren.
Die Ausstellung „Terror und Exil“ ist vom 20. bis 27. August täglich von 10 bis 18 Uhr im oberen Umgang des Lichthofes im Hauptgebäude der TU zu sehen, Straße des 17. Juni 135.
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