: An der Grenze des Kalten Krieges
Unüberwindbare Gitter, von Menschen kaum berührte Natur: Zum 70. Jahrestag des Waffenstillstandabkommens zeigt das Alliiertenmuseum in einer Ausstellung Fotos von der teilenden Grenze zwischen Nord- und Südkorea
Von Ronald Berg
Während der Kalte Krieg in Europa gerade wieder aufgewärmt wird, hat der Krieg auf der koreanischen Halbinsel bisher offiziell gar nicht aufgehört. 1953 gab es nur einen Waffenstillstand und die Einrichtung einer Demilitarisierten Zone, kurz DMZ. De facto gibt es heute zwei koreanische Staaten, die kommunistische Volksrepublik im Norden und den wirtschaftlich boomenden Süden kapitalistischer Prägung.
Am 27. Juli 1953, vor 70 Jahren, wurde das Abkommen zur DMZ beschlossen. Aus diesem Anlass hat das Berliner Alliiertenmuseum zum Jahrestag eine Fotoausstellung eingerichtet über diese 248 Kilometer lange Grenzzone zwischen Nord‑ und Südkorea ungefähr entlang des 38. Breitengrades. Damit entspricht die DMZ nur in etwa dem damaligen Frontverlauf zwischen den nordkoreanischen und chinesischen Truppen einerseits und den südkoreanischen und US-amerikanischen Truppen andererseits. Allerdings befindet sich die Grenze jetzt wieder nahe der Linie, die 1950 beim Ausbruch des Koreakriegs bestand, nachdem die beiden Siegermächte des Zweiten Weltkriegs USA und Sowjetunion die ehemalige japanische Kolonie in zwei Hälften zerteilten.
Im Alliiertenmuseum wird die koreanische Grenze durch eine Vielzahl von Farbfotos des ehemaligen Fotojournalisten Park Jongwoo anschaulich gemacht. Der Fotograf konnte in den Jahren 2009 und 2010 auf Einladung der südkoreanischen Regierung als erster Zivilist die Grenze erkunden und – soweit seine Telelinsen es erlaubten – auch in den vom Süden her unzugänglichen Nordteil der DMZ lugen. Die DMZ besteht ja aus jeweils einem vier Kilometer breiten Streifen sowohl nördlich wie südlich der eigentlichen Demarkationslinie, die aktuell die Grenze zwischen den beiden Koreas bildet. Park Jongwoos Aufnahmen sind klassische Reportagefotos. Sie zeigen den Alltag der Grenztruppen auf südlicher Seite, die Befestigung der Grenze, die sich in einem unüberwindbaren Metallgitterzaun materialisiert. Park Jongwoo zeigt aber auch viel von einer fast unberührte Landschaft mit Rehen, Geiern, Kranichen und Wildschweinen, wobei die Vogelwelt es in der DMZ einfacher hat. Zum einen gilt die Flugverbotszone über der DMZ natürlich nicht für Vögel, zum anderen läuft die gefiederte Spezies nicht Gefahr, auf die vielen Anti-Personen-Minen zu treten, die in der Zone ausgestreut sind – jedenfalls solange sie in der Luft bleiben.
Die Grenze innerhalb der DMZ ähnelt der einstigen innerdeutschen Grenze, was Wachtürme, Stacheldraht und uniformiertes Personal angeht. Zugleich unterscheidet sie sich doch vor allem darin, dass die koreanische Teilung offenbar noch undurchlässiger ist als die damalige „Zonengrenze“ im geteilten Deutschland. Fluchtversuche aus Nordkorea gibt es vergleichsweise wenig. Und: kleiner Grenzverkehr, Passierscheinabkommen, Tagesvisa, Reisefreiheiten für Rentner aus der kommunistischen Welt oder dergleichen sind zwischen den koreanischen Staaten nicht vorhanden.
Grenze Die Ausstellung „DMZ – Die letzte Grenze des Kalten Krieges“ mit Fotografien von Park Jongwoo im Alliiertenmuseum, Clayallee 135, ist bis 31. März 2024, täglich außer Montag von 10 bis 18 Uhr zu sehen.
Programm Der Eintritt im Alliiertenmuseum ist frei. Zu der Sonderausstellung über die koreanische Grenze gibt es Veranstaltungen und auch ein kleines Filmprogramm. Weitere Information: www.alliiertenmuseum.de.
Selten einmal gab es in der Vergangenheit vom Roten Kreuz initiierte Begegnungen für Familienangehörige, die durch das Kriegsgeschehen getrennt wurden. Ein Film innerhalb der Ausstellung dokumentiert das Beispiel einer im Süden lebenden 91-jährigen Mutter, die ihren im Krieg verlorenen, damals vierjährigen Sohn nach mehr als sechs Jahrzehnten in Panmunjeom wiedersehen durfte, nur um sich von ihm wahrscheinlich auf immer zu verabschieden. Das auch von Park Jongwoo fotografierte Panmunjeom ist jener ikonische Grenzort innerhalb der sogenannten „gemeinsamen Sicherheitszone“, wo vor sieben Jahrzehnten das Waffenstillstandsabkommen beschlossen wurde und wo in der Vergangenheit gelegentlich Treffen von Politikern stattfanden. Hellblau angemalte Baracken, als Symbol für die Verwaltung durch neutrale UN-Truppen, stehen hier direkt über der Grenzlinie. Familienzusammenführungen allerdings sind aktuell mit einem sich gerade konsequent abschottenden Nordkorea in Korea kein Thema.
Komplettiert wird die von Südkorea unterstützte Ausstellung der Fotos von Park Jongwoo durch die Gegenüberstellung mit Aufnahmen der US-Streitkräfte von ihrem Alltag an der deutsch-deutschen Grenze. Die Bilder hat das Alliiertenmuseum von einem privaten Sammler in seine Bestände übernehmen können. In der aktuellen Ausstellung werden diese Schwarzweißfotos auf Metall gedruckt und inklusive eingesetzten Erklärtexten präsentiert.
Die Aufmachung dieser ursprünglich nicht als Museumsstücke gedachten Bilder liefert vor allem die Anmutung von etwas Historischem. Allerdings unterscheidet sich die koreanische Grenze auch heutzutage auf den ersten Blick nicht viel vom deutschen Gegenstück der Zeit bis 1989/90.
Wobei gesagt werden muss: Vieles von den historischen und politischen Hintergründen ist mit fotografischen Mitteln gar nicht abzubilden. Die Erklärungen der Texttafeln in der Ausstellung liefern das Wesentliche dazu, ohne dem Bildeindruck unnötig Konkurrenz zu machen.
Vorkenntnisse in Geschichte sind nicht vonnöten. Wer aber all die Fotos, Texte und die per Monitor und Projektion gezeigten Filme ganz studieren will, sollte dafür eine Stunde Zeit einplanen.
Ziel der Ausstellung ist es im übrigen, auch das Alliiertenmuseum als Museum des Kalten Kriegs herauszustellen: Eines Zustandes also, der ungeahnte Aktualität wiedergewonnen hat und heute wie einst in Deutschland und im geteilten Berlin (unter Vier-Mächte-Status) immer auch eine globale Dimension hatte.
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