Ausstellung in der Kunstbibliothek Berlin: Geometrische Nüchternheit
Die Ausstellung „Marken:Zeichen“ zeigt die Weitsicht von Grafikdesigner Anton Stankowski. Einige seiner Logos begegnen uns häufig im Alltag.
Als Anton Stankowski den Wettbewerb um ein neues Firmenzeichen der Deutschen Bank gewann, titelte die Bild-Zeitung in altbekannter Manier – „Ein Maler verdiente mit fünf Strichen 100.000 Mark“. Außerdem zitierte das Blatt ihn verkürzt mit dem Satz: „Manchmal brauche ich für einen Entwurf nur eine Sekunde.“ Das war vor mittlerweile 48 Jahren. Dahinter steht die allerdings bis heute quicklebendige Idee, Kunst und Design könnten anhand von wirtschaftsliberalistischen Tugenden abschließend erklärt werden.
Dass Stankowski aber durchaus Fleiß, Weitsicht und Können bewiesen hat, um den Entwurf zu fertigen, der noch heute über jeder Filiale zu sehen ist, führt die Ausstellung „Marken:Zeichen“ in der Kunstbibliothek Berlin vor. Es ist die erste umfangreiche Präsentation des Nachlasses des Grafikateliers Stankowski + Duschek.
Zeitliche Spagatübungen
2012 schon trat Meike Gatermann, Kulturvermittlerin und Witwe von Karl Duschek, an die Kunstbibliothek und damit an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit der Idee heran, den Nachlass der beiden Designer in deren Obhut zu geben. Wie aufwendig die Prozesse und die wissenschaftliche Arbeit hinter der Nachlassverwaltung von Künstlern sind, lassen die acht Jahre ahnen, die seitdem vergangen sind, während deren auch ein Stabwechsel zwischen zwei Kuratorinnen der Sammlung Grafikdesign stattgefunden hat.
läuft bis 16. August in der Kunstbibliothek am Kulturforum, Matthäikirchplatz 8, 10785 Berlin. Der Katalog (Kettler Verlag) kostet 38 Euro.
In der Kunstbibliothek hat man es also mit zeitlichen Spagatübungen zu tun, die dank des kuratorischen Prologs sogar bis in die römische Kaiserzeit hinausreichen. Aber ob es um Stempel auf Dachziegeln oder dem „Berlin-Layout“ als analogem Vorreiter des Responsive Design geht, das Interesse ist hier mehr als nur ein historisches. Und kann auch unangenehm werden. Denn gemessen an der Omnipräsenz von Gebrauchsgrafiken und Marken in unserem Alltag beschäftigen wir uns als Gesellschaft sehr wenig mit ihnen als Bilder.
Im Jahr der Bild-Schlagzeile fingen Anton Stankowski und Karl Duschek an, miteinander zu arbeiten. Der eine hätte getrost der Großvater des anderen sein können. Aber obwohl Duschek gerade erst mit Ausbildung und Studium fertig geworden war, ging das gegenseitige Vertrauen und die gemeinsame Vision so weit, dass er wenige Jahre später Stankowskis Partner wurde.
„Marken sind Kulturatome“
Der Ausspruch „Marken sind Kulturatome“, der auch für die Ausstellung „Marken:Zeichen“ tonangebend ist, stammt von Duschek. Und pointiert, was beide wollten: philosophisch verortete und gleichzeitig hochkonkrete grafische Designs entwickeln.
Das taten sie nicht nur in Form von Markenzeichen, die heute vor allem Logos genannt werden, sondern auch in Form von Briefpapieren, Leitsystemen, Rauminstallationen, Buchtiteln, Kalendern und so weiter – all das, was heute unter Corporate Design fällt. Leidenschaften für die Konkrete Kunst, den russischen Konstruktivismus und gebrauchsgrafische Werke aus dem Bauhaus-Umfeld sind überall zwischen den Exponaten erkennbar, die in der Kunstbibliothek erschlagende 300 Stück umfassen.
Die meisten davon sind das Ergebnis sorgfältiger Abwägung geometrischer Grundformen und -farben gegeneinander in der Fläche. Teils gerät das eher komplex, wie bei dem Plakat für eine Kreissparkasse aus dem Jahr 1984, das wie ein im Uhrzeigersinn wehendes Farbwindrad daherkommt, in dem die Flagge der BRD versteckt ist, und manchmal eben so „plain and simple“ wie das Logo der Deutschen Bank.
Fünf Striche, die erzählen
Monochrom Blau liegt eine Diagonale im Winkel von 53 Grad in einem Quadrat. Fünf Striche, die trotzdem erzählen, was die Bank von sich wissen lassen will: Hier geschieht stetiges Wachstum, in Leserichtung eines Aktienkurses, und das in einem sicheren Umfeld. Grafiken wie diese fertigten Stankowski + Duschek für Viessmann, Rewe, die Messe Frankfurt, Landesgartenschauen, Handballmeisterschaften, den Rat für Formgebung, die Stadt Berlin – und sich selbst. Es sind große, klare Gesten in kleinen Formaten.
Sich in der Ausstellung zurechtzufinden ist trotzdem eine gewisse Herausforderung. Aber im Übrigen gibt es bei all der geometrischen Nüchternheit zwischendurch etwas zu schmunzeln: Zu einer Präsentationstafel, auf der das Atelier Stankowski + Duschek ein Redesign der Firma Bosch zwischen anderen, weltberühmten Vergleichsmarken präsentierte, heißt es im Booklet: „Das Zeichen – hier in einer nicht umgesetzten Variante – sollte unter den bekanntesten Marken seiner Zeit standhalten.
In selbstbewusster Geste sind darunter nicht nur VW, Shell oder Mercedes zu finden, sondern auch SEL und Deutsche Bank aus dem eigenen Atelier.“ Lässt man den Blick über die Sammlung der Logos schweifen, die um die Präsentationstafel herum hinzugefügt sind, ist dort auch das Signet der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu finden. Touché.
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