Ausstellung im Brandenburg Museum: Funken für das Reich im kolonialen Äther
In Nauen bündelten sich die Funkverbindungen zum kolonialen Afrika. Eine Ausstellung rückt nun die koloniale Vergangenheit künstlerisch ins Zentrum.
Nauen, so heißt es auf der Website der Stadt, liegt „27 km nordwestlich der Landeshauptstadt Potsdam und 41 km westnordwestlich des Zentrums der Bundeshauptstadt Berlin“. Seit 2009 schmückt sich Nauen mit dem Motto „Funkstadt mit Herz“. Grund ist die Großfunkstelle Nauen, äußerlich durch zwei bis zu 80 Meter hohe Sendeantennen und ein von Werkbund-Mitglied Hermann Muthesius entworfenes, 1920 eingeweihtes großes Sendegebäude gekennzeichnet.
Seit 1906 wird aus Nauen gesendet, die Anlage gilt als älteste noch aktive Sendeanlage der Welt. Es sind vor allem christliche Missionssendungen, die von einem privaten Betreiber und im Auftrag ebenfalls privater Auftraggeber über Kurzwelle etwa nach Äthiopien, Eritrea oder Nigeria gesendet werden.
Zur Beschreibung der geografischen Lage Nauens könnte man also durchaus auch andere Entfernungen heranziehen – etwa die zum togoischen Kamina und zum namibischen Windhoek. Dort nämlich errichtete die seinerzeit für den Betrieb der Hochfrequenzfunkstation in Nauen zuständige Firma Telefunken im Auftrag des Deutschen Kaiserreichs jeweils ebenfalls Großfunkstationen, die transkontinentale Funkverbindungen zwischen Deutschland und seinen afrikanischen Kolonien ermöglichten.
Die Station in Kamina befand sich dabei etwa auf halbem Luftweg nach Windhoek und wurde so auch als Relaisstation zur Verstärkung der Signale aus Deutschland errichtet. „Signale der Macht“ seien dies gewesen, so Dieter Daniels und Katalin Krasznahorkai, die dieser Tage die von ihnen kuratierte gleichnamige Ausstellung am Brandenburg Museum für Zukunft, Gegenwart und Geschichte in Potsdam eröffneten.
Die Nauener Funkstation als Instrument kolonialer Macht
Der Medientheoretiker und die Kunsthistorikerin haben hierfür gemeinsam mit einem Projektteam die Rolle der Nauener Funkstation als Instrument untersucht, mit dem koloniale, imperiale Macht gesichert, Verwaltung organisiert und wirtschaftliche sowie militärische Interessen durchgesetzt wurden. Es geht der Potsdamer Ausstellung also nicht um die technologiehistorischen Aspekte dieser „wichtigsten unbekannten Sehenswürdigkeit Brandenburgs“ (Daniels), die zudem für die Öffentlichkeit kaum zugänglich ist.

Vielmehr solle „Signale der Macht“ „erinnerungskulturelle Perspektiven“ ermöglichen, durch die die drei Länder – nun im Sinn „postkolonialer Kunstpraxen“ – miteinander verbunden werden. Drei künstlerische Arbeiten wurden hierfür in Auftrag gegeben: Frederike Moormann und Angelika Warniek aus Deutschland halten sich mit ihrer Installation eher ans Allgemeine, verweben heutige Sounds und Videobilder der drei (teils verlassenen beziehungsweise verfallenden) Funkstationen mit Filmaufnahmen startender Raketen – ein Verweis auf heutige Public-private-Partnerships für Satellitenkommunikation als eine Nachfolgetechnologie des Funks.
Der togoische Filmemacher Madjé Ayité suchte einen spezifischeren Blick und zeigt zwei Ausschnitte aus seinem Dokumentarfilm „Fragmente“, in dem er nicht nur den heutigen Zustand der Station in Kamina abbildet und einen togoischen Germanisten bezüglich der Bedeutung der Anlage zu Wort kommen lässt, sondern auch die Anlage in Nauen oder das Afrikanische Viertel in Berlin besucht.
Brandenburg Museum für Zukunft, Gegenwart und Geschichte, Am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam, Dienstag bis Sonntag, 11–18 Uhr
Bis 2. November 2025
Für den Zweck produziert, an Schulen in Togo gezeigt zu werden, hat der Film also ursprünglich eine togoische Zielgruppe. Er trage also das sich auch in Archiven in Deutschland befindende Wissen über den Sender in Kamina nach Togo zurück, so Ayité. Ebenfalls teilweise im Nauener Sendegebäude entstand der Film der namibischen Künstlerin Tuli Mekondjo.
War Telegrafie ein Werkzeug des Völkermords?
Hier sowie vor den Ruinen der Windhoeker Station versucht sie darin, durch an die menschenunwürdigen Baubedingungen erinnernde performative Bewegungen, den Traumata der von den Deutschen unterdrückten und im Völkermord an den Herero und Nama umgebrachten Kolonisierten im Land der Täter Sichtbarkeit zu verschaffen. Ihr Film stellt so auch die Frage, inwiefern Telegrafie ein Werkzeug des Völkermords war.
Denn auch wenn der Sender in Nauen erst 1906 errichtet wurde und die erste direkte Funkverbindung zur damaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ erst 1914 hergestellt wurde, waren es doch auch schon „Feldstationen“ der Telefunken, die während des 1904 beginnenden Aufstands der Herero die deutschen Befehlsketten sicherten, wie nicht zuletzt Fotografien aus dem Firmenarchiv zeigen, die Mekondjo in einer ebenfalls gezeigten Installation verwendet.
Sie sind auch Teil einer großen Archivwand, die anhand von Texten und Reproduktionen historischer Quellen die verbundene Geschichte der Sender in Nauen, Kamina und Windhoek umfangreich visualisiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!