Ausstellung Rosemarie Trockel in Bonn: Geldscheine stricken
Ein lässiger Rückblick und neue Schnittstellen: Das Bonner Kunstmuseum zeigt Zeichnungen, Collagen und Buchentwürfe der Kölner Künstlerin Rosemarie Trockel.
BB, ein Schmollmund und ein langes Bein, BB und der Schriftzug "Mutter Courage": BB, ist damit jetzt Bertolt Brecht oder Brigitte Bardot gemeint? Beide natürlich, mehrmals bringt Rosemarie Trockel deren Kürzel zusammen in Entwürfen für ein Buchcover, einmal fortgesponnen mit der Zeile "… und zwei typische Verbrechen einer Frau".
Man könnte jetzt grübeln, wie sich das auf das Image der Bardot als Sexsymbol beziehen lässt und wie auf die Betrügereien von Mutter Courage und welche Rolle dabei die Klischees von der Frau als Verführerin zu Zeiten Brechts und zu Zeiten der Filme der Bardot gespielt haben. Und dann hätte man so ungefähr die gedanklichen Konturen, die das Buchcover verspricht.
Aber das Buch gibt es nicht, seine Cover sind Teil einer großen imaginären Bibliothek, die Rosemarie Trockel im Kunstmuseum Bonn ausstellt, zusammen mit Zeichnungen und Collagen. Vom Anfang der achtziger Jahre bis in die Gegenwart reichen die Entwürfe, die stutzen lassen, Inhalte vermuten und erraten lassen. Sie sind witzig, anspielungsreich, voller Kippfiguren und nicht selten rätselhaft.
"Spiral Betty" steht über einer auf das Blatt montierten Verhütungsspirale. Der Titel nimmt Bezug auf "Spiral Jetty", eine Landart-Figur von Robert Smithson in der Wüste von Utah, monumental und nur schwer zugänglich. Das Blatt von 1988 ist somit lesbar als eine ironische Paraphrase der Einteilung des Lebens ins Häusliche und Öffentliche, ins Weibliche und Männliche.
Feministische Kritik an männlicher Dominanz im Kunstbetrieb
Auf Rechenkästchenpapier entwirft Trockel 1993 eine Titelseite der Illustrierten Stern: Eine Frau, fotorealistisch gezeichnet, strickt einen Geldschein, daneben wirbt eine Überschrift für "Die neuen Maschen: So machen Sie mehr Geld". Das wirkt einerseits wie ein Kommentar zu dem Erfolg von Trockel selbst, die mit Strickbildern und Herdplatteninstallationen Anfang der neunziger Jahre international bekannt wurde. Geschätzt wurde sie für Positionen, die für eine feministische Kritik an männlicher Dominanz im Kunstbetrieb (und anderswo) ebenso offen waren wie für eine Auseinandersetzung mit der Konzeptkunst. Andererseits wirft der Stern-Titel einen amüsierten Blick auf das ungläubige Staunen über diesen Erfolg.
1983 war diese Karriere noch nicht abzusehen. Die Kölner Kunstszene, zu der Trockel gehört, formierte sich erst, und konturierte sich unter anderem über die Forderung nach politischer Haltung und Theoriebegeisterung. In dieser Zeit schrieb Trockel auf ein liniertes Blatt mit der mühsamen Schrift der Schreibanfänger "Theoriephobie", wobei "Theorie" fast wieder wegradiert ist. Der Rest des Blatts ist leer, Zeugnis der Angst vor dem schwer Begreifbaren. Selten wird der Druck, am Kunstdiskurs teilnehmen zu wollen oder zu müssen, und die Furcht davor, daran zu scheitern, so lapidar zur Darstellung gebracht.
So wirkt die Ausstellung der Zeichnungen, Collagen und Buchentwürfe, die nach Basel und Edinburgh im Kunstmuseum Bonn ihre letzte Station macht, auch wie ein lässiges Resümee und wirft einen Blick zurück auf die Zeit, als Positionierung und Strategie gerade für junge Künstlerinnen unverzichtbare Mittel waren, sich einen Platz im Kunstbetrieb zu erobern; oder besser gesagt, einen noch nicht besetzten Bereich mit neuen Themen zu eröffnen. Das sollte nicht in der Malerei geschehen, einem in den siebziger Jahren, als Trockel an den Kölner Werkschulen studierte, von vielen männlichen Künstlern dominierter Bereich.
Dass Trockel aber auch damals malerische Gesten liebte und erprobte, das Verlaufen der Farbe, das zarte Übereinanderlegen transparenter Schichten wie in der informellen Malerei, wird jetzt mit der Ausstellung deutlich. In manchen Collagen dienen frühere, beinahe informelle Bilder als Fonds für eine neue Idee; das Verwaschene, Verwischte und Poetische wird überlagert vom Konturierten und Konkreten. Das Aufeinanderprallen zweier Ästhetiken im Medium der Collage ist dabei wie das Angebot eines weiteren Zugangs, einer neuen Schnittstelle zu den Arbeiten von Rosemarie Trockel, ein Einstieg über Ästhetiken, von denen sie sich nun nicht mehr abgrenzen muss.
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