Außenminister Maas in der Türkei: Nur nicht anecken
Bei seinem Besuch in Ankara gibt sich Bundesaußenminister Maas höflich zurückhaltend – und versäumt darüber seine Aufgabe.
A uf den ersten Blick scheint es, als sei Heiko Maas zu einem politischen Masochisten mutiert. Nachdem ihn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan als politischen Dilettanten abgewatscht hatte, weil er den Einmarsch der türkischen Armee in Nordsyrien als völkerrechtswidrig kritisierte, fährt er nach Ankara und lässt sich dort von seinem Kollegen Mevlüt Çavuşoğlu weiter vorführen. Statt den Abzug der Türkei aus Syrien zu fordern, redet er von dem notwendigen Dialog mit einem wichtigen Nato-Partner.
Der bedankt sich für die devote Haltung, indem er ultimativ fordert, Deutschland solle den Einmarsch nicht nur gutheißen, sondern müsse überdies die geplante Rückführung syrischer Flüchtlinge in das Gebiet auch noch finanziell unterstützen. Alles andere, so Çavuşoğlu, „können wir unserem Volk“ nicht erklären. Maas nimmt das stoisch zur Kenntnis und merkt lediglich an, dass man auch unter Freunden nicht immer der gleichen Meinung sein kann. An einem Punkt allerdings ist er sich mit Çavuşoğlu durchaus einig.
Der Vorschlag von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, in Nordsyrien eine von europäischen Soldaten, also auch von deutschen Soldaten überwachte Sicherheitszone einzurichten, ist „völlig realitätsfern“, bestätigt ihm wunschgemäß die türkische Regierung. Musste Maas nach Ankara fahren, um sich das Offensichtliche attestieren zu lassen?
Wenn schon AKK mit ihrem Vorstoß erkennbar rein innenpolitische Ziele verfolgt, braucht Maas dann den türkischen Autokraten als Rückendeckung in einem innenpolitischen Konflikt? In Ankara freut man sich, dass die Bundesregierung einen internen Konflikt auf ihrer Bühne austrägt. „Einigt euch erst mal selbst, bevor ihr zu uns kommt“, sagte Çavuşoğlu grinsend.
Von Kritik an dem völkerrechtswidrigen Vorgehen der Türkei, an der Vertreibung von 180.000 Menschen und der Destabilisierung einer zuvor einigermaßen stabilen Region war keine Rede mehr. Welch ein Versäumnis, dass der Bundesaußenminister seinen Einfluss nicht wahrgenommen hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin