Ausnahmezustand in Pakistan: Anwälte demonstrieren, Bhutto taktiert
Oppositionsführerin Bhutto hat zur Großdemonstration aufgerufen, Präsident Musharraf aber nicht angegriffen. Das ermöglicht Gespräche - und verhindert eine Festnahme.
DELHI taz Die Unsicherheit über die politische Zukunft Pakistans hielt auch am Dienstag an. Nachdem Premierminister Shaukat Aziz am Vortag gesagt hatte, Wahlen würden im Januar 2008 stattfinden, erklärte Militärmachthaber Pervez Musharraf, der Zeitplan sei weiter offen. Er werde seine Uniform ablegen, erklärte er Vertretern des diplomatischen Korps, fügte aber unverblümt hinzu, "sobald wir diese Säulen korrigiert haben - die Justiz, die Exekutive und das Parlament".
Währenddessen gehen die Proteste weiter. Wieder waren es Anwälte, die gegen die Aufhebung der Verfassung aufbegehrten. In der Stadt Multan demonstrierten über eintausend Anwälte und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. In Sialkot nahe der Grenze zu Indien wurden 32 protestierende Anwälte verhaftet. Vor dem Bezirksgericht in Rawalpindi versammelten sich erneut mehrere hundert Juristen. Sie lauschten einem telefonischen Aufruf zum Ungehorsam des abgesetzten und unter Hausarrest stehenden Obersten Richters Iftikhar Chaudhry. In Karatschi stürmte die Polizei die Redaktion der Urdu-Zeitung Jang und verhinderte deren Erscheinen.
Die Oppositionspolitikerin Benazir Bhutto will am Mittwoch erstmals nach ihrer Rückkehr aus dem Exil nach Islamabad reisen. Dort werde sie Oppositionspolitiker treffen und nicht Musharraf, sagte sie Journalisten. Der Londoner Times erklärte sie, sie wolle eine Großdemonstration gegen das Kriegsrecht am Freitag im angrenzenden Rawalpindi organisieren. Erneut rief sie Musharraf auf, seine Uniform abzulegen und im Januar Wahlen durchzuführen. Wieder enthielt sie sich aber eines direkten Angriffs auf den General. Diese Geste erwiderte er, indem er das Dekret zur Wiederversöhnung bisher nicht antastete. Dies ermöglicht Verhandlungen mit Bhutto und bewahrt sie vor Verhaftung.
Die beruhigenden Gesten der Regierung richten sich vor allem an die internationale Gemeinschaft und sollen wohl die Polizeiknüppel neutralisieren. Die Kritik aus dem Ausland geht jedoch weiter. Erstmals äußerte sich auch US-Präsident George W. Bush. Er warf Musharraf vor, die Demokratie zu "untergraben", und forderte ihn auf, rasch Wahlen durchzuführen und die Uniform abzulegen. Mit Entzug der US-Militärhilfe drohte Bush nicht. UN-Generalseketär Ban Ki Moon forderte alle 3.500 bisher Inhaftierten freizulassen. Als erster westlicher Staat beschlossen die Niederlande, ihre Entwicklungshilfe an Pakistan einzufrieren.
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