: Ausnahmezustand im Sudan
■ Präsident al-Baschir löst Parlament auf, um Parlamentspräsident Turabi zu entmachten. Der Islamist war zuletzt vom Verbündeten des Staatschefs zu seinem Widersacher geworden
Kairo (taz) – Eigentlich sollte Sudans Parlament heute darüber abstimmen, ob die weitläufigen Rechte des Präsidenten Omar al-Baschir beschnitten werden. Doch stattdessen verhängte der Präsident in der Nacht zu gestern den Ausnahmezustand und löste das Parlament auft.
Was wie ein Machtkampf zwischen zwei Institutionen aussieht, ist in Wirklichkeit ein Kampf zwischen zwei Personen: Präsident Baschir und Parlamentspräsident Hassan al-Turabi. Gemeinsam waren sie vor zehn Jahren durch einen Coup an die Macht gekommen. Oberst Baschir verlieh dem Coup mit Hilfe der Armee den richtigen Nachdruck, und der Islamist Turabi lieferte die nötige Ideologie. Das Ergebnis war eine Art islamistische Militärdiktatur, die durchaus auch von großen Teilen der Bevölkerung im Norden getragen wurde. Darin hielt Baschir die formelle Macht in den Händen, während Turabi im Hintergrund als graue Eminenz agierte.
In den letzten Jahren begann die Koalition zwischen Militär und Islamisten zu bröckeln. Baschir und Turabi versuchten, sich gegenseitig aufs Abstellgleis zu rangieren. In den letzten Monaten war Turabi am Drücker. Zunächst wollte er das Amt eines Ministerpräsidenten schaffen, was dem Präsidenten Machtbefugnisse entzogen hätte. Nun sollte das Parlament darüber abstimmen, ob dem Präsidenten in Zukunft mit Hilfe einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit das Vertrauen entzogen werden könnte. Außerdem sollten die Provinzgouverneure in Zukunft nicht mehr vom Präsidenten bestimmt, sondern vom Parlament gewählt werden. Kurzum: Turabi arbeitete hart daran, Macht weg vom Präsidialamt hin zum Parlament umzuschichten, in dem Turabis Nationale Islamische Front die Zügel in der Hand hält.
Turabi fühlte sich seiner Sache sogar so sicher, dass er letzten Monat die Forderung Baschirs nach einer Verzögerung der Abstimmung ignorierte. Das war für viele Beobachter der letzte Hinweis dafür, dass sich der Machtkampf im Sinne Turabis entschieden hätte. Weit gefehlt.
Kein Wunder, dass Turabi gestern das Ganze einen „offenen und klaren Militärputsch“ nannte. Nun sitzt der Chef der sudanesischen Islamisten in seinem Hauptquartier, schwer bewacht von seiner Miliz Popular Defence Force. Ein Sprecher Baschirs erklärte, dass das Parlament aufgelöst sei, an eine Verhaftung Turabis derzeit aber nicht gedacht werde.
Es ist unwahrscheinlich, dass sich Turabi geschlagen gibt. Mit seiner Popular Defence Force hält er ein schlagkräftiges Instrument in Händen. Turabi gilt allerdings nicht als jemand, der ohne weiteres bereit wäre, ein Blutbad anzurichten. Stattdessen könnte er auf Neuwahlen des Parlaments setzen. Glaubt man Baschir, dann soll der Ausnahmezustand nur drei Monate andauern. Spätestens dann müsste er Neuwahlen ausrufen.
Karim el-Gawhary
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen